piwik no script img

Kleingroße Fragen zur Liebe

■ 420 kleinwüchsige Menschen tagen in Hamburg. Familie, Partnerschaft und Abenteuer stehen auf dem Programm

„Familie – Partnerschaft – Kleinwuchs – ein Abenteuer!“ ist Motto und Thema zugleich, mit dem sich der Bundesselbsthilfeverband Kleinwüchsiger Menschen heute und morgen in Hamburg beschäftigt. 420 kleine Menschen aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden nehmen an dem diesjährigen Bundeskongress in Hamburg teil. „Das ist ein großes Thema für uns, denn einerseits fragt die Gesellschaft, ob Behinderte Kinder haben sollten. Andererseits fragen auch wir uns, ob wir dem gewachsen sind“, sagt Sabine Popp, Pressesprecherin des Verbandes.

Und sie erzählt, dass die meisten Kleinwüchsigen beziehungsmäßig unter sich bleiben. Das bedeutet, dass auch ihre Kinder die 1,50 Meter ziemlich sicher nicht erreichen. „Kleinwüchsigkeit vererbt sich zu 90 Prozent, wenn beide Partner kleinwüchsig sind.“ Ist einer groß, ist das Verhältnis 50:50.

„Ich glaube schon, dass wir der Gründung einer Familie gewachsen sind. Nur in der Schwangerschaft muss sich jede Frau fragen, ob ihr Körper das durchhält“, beantwortet Popp für sich persönlich die Frage, der heute die kleinwüchsige Soziologin Sabine Rothe in einem Vortrag nachgehen wird. Weitere Themen des Kongresses sind „Hat das Single-Dasein mit meinem Kleinwuchs zu tun?“, „Kleinwuchs und Partnerschaft“ und die Frage, ob Kleinwüchsige anders älter werden.

„Eigentlich haben Kleinwüchsige dieselben Beziehungsprobleme wie große Menschen“, sagt Popp. Eifersucht, Trennung, alles gleich. „Aber dazu kommt schon bei vielen von uns die Frage: Hat sich jemand nicht deshalb von mir getrennt, weil ich so klein bin?“ In Gesprächen habe sie erfahren, dass viele kleine Männer sich eigentlich große Frauen wünschten. Sie selber will lieber einen kleinen Mann: „Sonst würde ich mich wie die Tochter an der Hand eines Vaters fühlen.“

In Deutschland gibt es etwa 60.000 bis 100.000 Kleinwüchsige. „Einige sind sehr selbstbewusst, andere leiden darunter, das sie oft angestarrt werden“, sagt die Pressesprecherin. Sie selber fand es zunächst seltsam, in den Selbsthilfeverband zu gehen. „Es ist schon ein Schritt, seinem Spiegelbild in die Augen zu sehen.“ Und natürlich werde man noch mehr angestaunt, wenn man mit zehn anderen Kleinwüchsigen durch die Gegend läuft, als wenn man allein unterwegs ist. Früher war sie nur unter Großen: „Da war ich immer einzigartig und wurde immer wiedererkannt.“ Aber inzwischen genießt sie auch, anderen in die Augen sehen zu können. Und nicht groß erklären zu müssen, wie es sich anfühlt, wenn alle gucken. san

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen