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Fitness für die nächsten 50 Jahre

Rosinen im Kuchen: Wie viel Bundesgelder bekommt die Berliner Kultur? Während Staatsminister Naumann die Förderung bislang an Forderungen nach mehr Mitsprache geknüpft hatte, will sich nun auch das Parlament bei der Mittelvergabe stärker einmischen

Es klang wie ein Zitat von Walter Ulbricht. „Niemand träumt davon, Berlin zu einer Kulturhauptstadt zu machen“, sagte der Berliner Kultursenator Christoph Stölzl nach seinem ersten Auftritt vor dem Bundestags-Kulturausschuss am Dienstagabend. Vermutlich hatte der gebürtige Münchner das Bekenntnis zum kulturellen Föderalismus, das wie Valium für die Ministerpräsidenten erscheint, sogar ernst gemeint. Aber eines war nach der Ausschusssitzung so klar wie nie zuvor: Der Zug in Richtung Bundeskulturhauptstadt ist nicht mehr aufzuhalten, und auf dem Führerstand sitzen jetzt die Parlamentarier.

Zweimal musste der Kulturausschuss das Treffen zur Hauptstadtkultur verschieben, weil den Berlinern zwischenzeitlich der zuständige Senator abhanden gekommen war. In der Zwischenzeit hatte sich Staatsminister Michael Naumann in immer schrillerem Tonfall mit den rasch wechselnden Berliner Ressortchefs gestritten. Der Bund, hatte Naumann noch am Dienstagmorgen wissen lassen, könne nicht als „Reparaturzahlmeister“ für Berliner Fehlentscheidungen herhalten. Im Gegenzug hatten Stölzls Vorgänger stets mehr Geld vom Bund gefordert, ohne mehr Mitsprache einräumen zu wollen.

Damit ist es nun vorbei, seit der Kulturausschuss des Bundestags das Steuer übernommen hat. Selbstbewusst verkündete dessen Vorsitzende Elke Leonhard (SPD): „Wir wollen Berlin auch kulturell zu einer konkurrenzfähigen Hauptstadt machen, darüber herrscht Einigkeit.“ Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der Bund auch finanziell „über ein Mehr nachdenken“. Bis 2003 ist der jetzige Bundeszuschuss von 100 Millionen Mark jährlich garantiert. Für die Zeit danach müsse es Gespräche geben, glaubt Leonhard, „die wahrscheinlich über diesen Betrag hinausgehen“.

Schon jetzt aber ist klar: Mit der Rolle des bloßen Zuschussgebers findet sich der Bund nicht mehr ab – schon deshalb, weil die Berliner Landespolitik mit der hauptstädtischen Kulturlandschaft nicht nur finanziell, sondern auch intellektuell überfordert ist. Das Wort des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen über die „abgetanzten“ und „abgelatschten“ Künstler ist Legende.

Dass sich künftig also eine ganze Reihe von Berliner Kultureinrichtungen in die Obhut des Bundes begeben sollen, ist mittlerweile nicht mehr umstritten. Die Frage ist nur, welche. Die Berliner fürchten, dass sich der Bund womöglich die Rosinen herauspickt und das Land auf den Problemfällen sitzen lässt. Schon warnt der Senator: „Es wäre eine naive Vorstellung zu glauben, hauptstädtisch sei das, was am besten ist. Die Kriterien müssen ganz andere sein.“

Vor allem im Musikbereich und bei den Gedenkstätten unterscheiden sich die Übernahme-Wunschlisten der Kontrahenten Naumann und Stölzl. Der Bund übernähme gerne die Berliner Philharmoniker, den ebenso renommierten wie finanziell soliden Klangkörper. Das Land hingegen wäre froh, wenn es nicht mehr alleine die Verantwortung für die teuren und künstlerisch kriselnden drei Opernhäuser tragen müsste. Auch bei der Gedenkstätte Topographie des Terrors, derzeit von einem Bauskandal geplagt, sieht der Senat den Gesamtstaat in der Verantwortung. Die Berliner fürchten, dass die Gedenkstätte in der Konkurrenz zum Holocaust-Mahnmal und zum Jüdischen Museum sonst nicht bestehen kann.

Einen ersten Erfolg kann die Ausschussvorsitzende Leonhard immerhin schon verbuchen. Nach den Monaten der Hysterie betonen die Kontrahenten stellte sie am Dienstag fest: „Die Irritationen sind ausgeräumt.“ Das hinderte sie freilich nicht daran, von den Berlinern jene „Transparenz“ einzufordern, von der Stölzl bislang nur redet. Schließlich ist die völlig undurchsichtige Kulturfinanzierung des Stadtstaats „der Quell aller Miseren in diesem Bereich“, wie der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Universität konstatiert.

Wenn der neue Hauptstadtkulturvertrag „für die nächsten 50 Jahre“ gelten soll, wie Leonhard vollmundig ankündigte, dann müssen auch die anderen Bundesländer mit ins Boot. Das Modell einer „nationalen Stiftung“ müsse „mehr als angedacht werden“, sagte die SPD-Politikerin. Eines aber ist jetzt schon klar: Die Kulturhauptstadt werden auch die Föderalisten in München oder Düsseldorf nicht mehr verhindern können. RALPH BOLLMANN

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