: Warum ist es am Rhein so schön?
Weil es der deutscheste aller deutschen Flüsse ist. Für den Event „200 Jahre Rheinromantik“ im Jahr 2002 will die Deutsche Zentralefür Tourismus wegen mangelnder wirtschaftlicher Alternativen für einen touristischen Wiederaufschwung am „Vater Rhein“ werben
von GÜNTER ERMLICH
Müssen Christo und Jeanne Claude das Rheintal verpacken, um endlich eine neue Sichtweise vom deutschen Strom und vom wunderschönen Tal zu bekommen? Angelika Riemann vom Museum Zons fantasierte von einer solchen Radikalkur. Das seit 200 Jahren romantisch-verklärte Rheinbild – die Mädel sind lustig, die Burschen sind durstig –, dessen „Vermarktung durch Vervielfältigung bis zum Abziehbild in unseren Köpfen“ drin sei, müsse korrigiert werden.
„Warum ist es am Rhein so schön?“ Darüber zerbrachen sich die Teilnehmer einer Studienkonferenz der Thomas-Morus-Akademie in einem Bonn-Bad Godesberger Rheinhotel die Köpfe, während sie durch das Panoramafenster die Schiffchen in strahlender Frühjahrssonne vorbeiziehen sahen.
1835 brachte Baedeker seinen ersten Reiseführer heraus. Thema: der Rhein, „Von Straßburg bis Düsseldorf“. Die Engländer waren die ersten Rheintouristen. Im Jahr 1850 kreuzten bereits eine Million Passagiere auf dem Rhein. Die Highlights des Rheintourismus von damals sind es noch heute: die Pfalz bei Kaub, Koblenz mit Burg Ehrenbreitstein, Oberwesel, natürlich die Loreley, Bacharach und Andernach, St. Goar und St. Goarshausen mit den Burgen „Katz“ und „Maus“, Bingen mit dem Mäuseturm und der Drachenfels. Doch der Rhein bedeutete mehr als eine instrumentelle Wasserstraße und der Rheingau mehr als ein „Lustgarten der Natur“ wie für die Romantiker Arnim und Brentano. Im Gefolge der Romantiker erklärten „vaterländisch Gesinnte“ den Rhein zur „Keimzelle der deutschen Heimat“, wie Georg Mölich vom Landschaftsverband Rheinland referierte. Für Mölich ist das Jahr 1840, als der Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich zur „Rheinkrise“ eskalierte, die „Geburtsstunde des modernen Nationalismus in Deutschland“. Die so genannte „Rheinliedbewegung“ begründete das moderne Nationalbewusstsein mit Vaterlandsliedern wie „Der freie Rhein“ von Nicolas Becker und das berühmt-berüchtigte „Die Wacht am Rhein“ von Max Schneckenburger als zentralem Nationalhymnus. In der nationalen Euphorie wurde die Rheinlandschaft zum nationalen Symbol.
Auch heute wird „Vater Rhein“ wieder instrumentalisiert. Mit ihrer Kampagne „200 Jahre Rheinromantik“ will die Deutsche Zentrale für Tourismus im Jahr 2002 weltweit für eine Renaissance des Rheintourismus werben. Denn als Urlaubsregion hat selbst das Filetstück der Rheinlandschaft, der Rheingau, sich nie profilieren können. Sie blieb nur das beliebte Ziel von Legionen von Tagesausflüglern und Durchfahrtskulisse für Bahn- und Schiffsreisende. Der Antrag bei der Unesco, das mittlere Rheintal zum Weltkulturerbe zu erklären, soll sowohl dem Schutz der Landschaft wie einer nachhaltigen Entwicklung dienen.
Mangels wirtschaftlicher Alternativen im engen Tal müsse der Tourismus unbedingt ausgebaut werden, fordert Friedhelm Ernst, Geschäftsführer der Marketinggemeinschaft Deutscher Rhein, „weil der Rhein sonst untergeht“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen