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Spanier erobern wieder Amerika

Internet-Allianz Telefónica und Lycos: Zum ersten Mal kauft ein europäischer Konzern einen bedeutenden US-Internet-Anbieter. Bertelsmann will Bücher und Musik vertreiben. Die spanische Regierung dürfte diesmal kein Veto einlegen

von REINER METZGER

Es muss Juan Villalonga wahnsinnig schwer gefallen sein, so lange den Mund zu halten: Vor einer guten Woche scheiterte die schon vereinbarte Fusion seines spanischen Telefonkonzerns Telefónica mit dem niederländischen Telefonriesen KPN am Aufsichtsrat. Spaniens bis dahin größter Wirtschaftsheld und Schulfreund von Regierungschef José María Aznar stand als Verlierer da und durfte nicht sagen, dass er noch eine ähnlich große Fusion in petto hat.

Gestern nun sickerte die zweite Fusion durch: Das Internetportal Lycos mit seinen Millionen Kunden und Internetadressen hat einer Übernahme durch die Spanier zugestimmt. Das ist ein Meilenstein in verschiedener Hinsicht. Die Internettochter der Telefónica namens Terra Networks wird in einem 12-Milliarden-Dollar-Handel mit Lycos verschmolzen. Damit übernimmt zum ersten Mal ein Europäer eines der großen US-Internetunternehmen. Außerdem haben die Spanier im Rennen der EU-Telefonriesen um Fusionspartner in den USA als eine der wenigen einen großen Treffer gelandet.

Lycos ist eines der größten Internetportale der USA, zwar eine Nummer kleiner als Marktführer Yahoo, aber immerhin. Terra Networks hängt an der Telefónica (der größten Firma Spaniens) wie T-Online an der Deutschen Telekom. Terra hat Millionen Kunden in spanischsprachigen Ländern – ein großes Plus, weil Mittel- und Südamerika mit erschlossen sind und nun auch die spanischsprachigen US-Kunden von Lycos hinzukommen – samt den Abonnenten von Lycos Europe. Terra zahlt denn angeblich auch einen Aufpreis von 40 Prozent auf den gegenwärtigen Lycos-Aktienkurs.

Von der Fusion will auch Deutschlands größter Medienkonzern profitieren: Bertelsmann. Die Gütersloher sollen mit dem Terra/Lycos-Verbund kooperieren, hieß es aus Verhandlungskreisen. Sie könnten den begehrten Inhalt liefern für die Onlinedienste – durch ihre Buchverlage, die Bertelsmann Music Group und ihre RTL-Fernseherfahrung. Lycos Europe ist auch schon ein Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann und Lycos USA. Genaueres soll in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden.

Der angeschlagene Telefónica-Chef Villalonga dürfte diesmal alles im Detail mit seinem kleinsten, aber bedeutendsten Aktionär durchgesprochen haben, der spanischen Regierung. Bei der vereinbarten Fusion mit KPN war der Sekt schon kalt gestellt, als die Regierung die Notbremse zog: Sie hat mit einer „goldenen Aktie“ ein Vetorecht bei allen wichtigen Entscheidungen. Und sie wollte die Fusion mit den der KPN nicht, weil der niederländische Staat damit der größte Telefónica-Aktionär geworden wäre. Damit war die Firmenehe plötzlich nicht mehr im „nationalen Interesse“, so Aznar. Schulfreund Villalonga musste also eine bei solch großen Konzernen äußerst seltene Niederlage in einer Aufsichtsratssitzung erleben. Es wurde sogar über seinen Abgang spekuliert. Man sei indigniert gewesen, dass er bei der Sitzung nicht einmal anwesend war, hieß es aus Aufsichtsratskreisen. Er hatte allerdings einen guten Grund: Seine Frau brachte genau zu dem Zeitpunkt ein Kind zur Welt, und er war dabei. Nun dürfte alles vergeben sein. Denn wann kauft schon einmal eine spanische Firma einen US-Konzern – und das auch noch vor der Konkurrenz aus Frankreich oder Deutschland. Da ist das nationale Interesse doch hervorragend gewahrt.

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