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Microsoft verliert Prozeß

Klage gegen Softwarehändler wegen Fälschung war unberechtigt. Händler verlor trotzdem Millionen, weil sein Großkunde AOK wegblieb. Bundeskartellamt interessiert sich für Microsoft

aus KölnMARTIN MURPHY

Nicht alles, was Microsoft als Fälschung bezeichnet, ist gefälscht. Der Softwaregigant aus Richmond hatte einen Brühler Computerhändler der Produktpiraterie verklagt – zu Unrecht. Das Landgericht Köln hat gestern eine entsprechende Klage von Microsoft abgewiesen. Der Anwalt der Beklagten, Eberhard Reinecke, argwöhnt, dass Microsoft seinen Mandanten mit der Klage nur ein gutes Geschäft kaputt machen wollte. Ein Vorwurf, der nicht unberechtigt ist.

Die beklagte Pollehn Computer Systems (PCS) hatte der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Rheinland Office-97-Lizenzen für 250 Mark günstiger verkauft, als Microsoft dafür veranschlagt. Das US-amerikanische Unternehmen untersuchte die Lizenzen und stufte sie als Fälschungen ein: Die insgesamt 35 Office-97-Lizenzen haben alle die identische Seriennummer. Für Microsoft anfänglich ein klarer Beleg für Fälschungen. Erst auf Nachfrage räumte die Microsoft-Sprecherin für Produktpiraterie, Martina Wimmer, ein, identische Seriennummern könnten durchaus vorkommen. Die Office-Lizenzen seien aber trotzdem Fälschungen, so Wimmer. „Das kann man am günstigen Preis erkennen.“ Der „übliche“ Preis für eine Office-97-Lizenz liegt nach Angaben von Microsoft bei 919 Mark netto. Großkunden bekommen Rabatte eingeräumt. Die Brühler Händler hatten der AOK die Lizenz zu einem Nettopreis von 473 Mark angeboten. Ein günstiger, aber durchaus marktüblicher Preis, wie ein Vergleich belegt. Die beiden Eigner der PCS hofften auf Folgeaufträge. Insgesamt kaufte die AOK seinerzeit 50.000 Office-Lizenzen, schätzt Anwalt Reinecke. Die Fälschungsvorwürfe waren für die Computerhändler fatal. Nicht nur, weil sie die 50.000 Lizenzen nicht liefern durften, sondern weil die AOK mit ihnen kaum noch Geschäfte machte. Im Jahr vor den Fälschungsvorwürfen orderte die Krankenkasse Waren im Wert von 500.000 Mark, später nur noch rund zehn Prozent.

Wie aussichtslos die Klage von Microsoft war, zeichnete sich schon beim ersten Gerichtstermin ab. Der Richter äußerte erhebliche Zweifel an Teilen der Klage. Die Verhandlung eröffnete er mit den an die Microsoft-Anwälte gerichteten Worten: „Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.“ Die beiden Juristen zogen kleinlaut binnen Minuten die meisten Klagepunkte zurück. Der ursprüngliche Streitwert wurde von 500.000 Mark auf 142.000 reduziert.

Mittlerweile beschäftigt sich auch das Bundeskartellamt mit dem Fall. Die Bonner Behörde hat bereits eine Stellungnahme von Microsoft eingefordert und erhalten. „Die ist aber noch nicht vollständig ausgewertet“, sagte die ermittelnde Beamtin der taz. Das Bundeskartellamt prüft, ob Microsoft seine Marktmacht planmäßig missbraucht. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, „dann bin ich nicht abgeneigt, ein Verfahren gegen Microsoft anzustrengen“, so die Beamtin.

In der Deutschlandzentrale des Softwareunternehmens zeigt man sich entspannt. „Solche Ermittlungen kommen öfter vor“, sagt Wimmer. Microsoft habe nichts zu befürchten. Vielleicht doch: Denn die AOK überlegt, die Firma von Bill Gates auf Schadenersatz zu verklagen. Schließlich habe die Krankenkasse rund 250 Mark mehr je Lizenz bezahlt, als die verklagten Brühler Softwarehändler in Rechnung gestellt hatten, sickerte aus Mitarbeiterkreisen der AOK durch. Bei den 35 Office-Lizenzen handelt es sich nur um rund 8.700 Mark Mehrkosten. Geht man jedoch von 50.000 Lizenzen aus, dann summiert sich der Schaden auf 12,5 Millionen Mark. Bis zum Redaktionsschluss war Microsoft nicht zu einer Stellungnahme bereit.

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