: Der Gentechnik Grenzen setzen
Auf dem Berliner Kongress „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland“ steht das Embryonenschutzgesetz auf dem Prüfstand. Die Forscher wollen endlich auch mit Embryonalzellen experimentieren. Die Ministerin warnt vor Manipulationen und Missbrauch
von WOLFGANG LÖHR
Die moderne Technik ermögliche, dass Embryonen nicht nur zur Herbeiführung von Schwangerschaften, sondern ebenso gut „zu Forschungszwecken, Missbrauch und Manipulation“ verwendet werden könnten. Hier müssten klare Grenzen gesetzt werden, forderte Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer zu Beginnn des dreitägigen Symposiums „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland“ in Berlin. Weit über 600 Interessierte hatten sich zu der von Fischer initiierten Veranstaltung angemeldet. Die Ministerin forderte in ihrer Eröffnungsrede zwar zu einer breiten Debatte über die Grenzen der Gentechnik auf, äußerte aber auch die Befürchtung, ob es nicht schon zu spät dafür sei.
Zur Diskussion steht das inzwischen zehn Jahre alte Embryonenschutzgesetz, auf dessen Lockerung zahlreiche Forscher und Mediziner pochen. So ist nach diesem Gesetz zum Beispiel das Experimentieren mit befruchteten Eizellen grundsätzlich verboten.
Die Novellierung des Gesetzes ist heftig umstritten, denn ginge es nach den Wünschen vieler Forscher, dürfte künftig in Deutschland nicht nur die Präimplantationsdiagnostik (PID), der Gen-Check bei Retortenbabys angewandt werden. Gefordert wird auch, dass die so genannte „verbrauchende Embryonenforschung“ erlaubt sein soll. Druck auf das Gesetz kommt vor allem von Forschern, die endlich mit dem „therapeutischen Klonen“ beginnen wollen. Sie wollen dazu embryonale, noch voll entwicklungsfähige Humanzellen verwenden. Dazu müssen aber erst die gesetzlichen Vorgaben geändert werden.
Dass die Veranstaltung nicht ohne Emotionen abläuft, war vorauszusehen. Denn auf dem Symposium waren „so ziemlich alle vertreten“, so die Einschätzung einer Teilnehmerin, „die in den letzten zehn Jahren bei der Debatte über die Fortpflanzungsmedizin führend beteiligt waren“. Sowohl aus den Reihen der KritikerInnen als auch aus dem Bereich der Forschung. Noch bevor Gesundheitsministerin Andrea Fischer ihre Eröffnungsrede beginnen konnte, hatte bereits ein Mitglied vom „Bündnis für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen“ das Podium erobert und forderte „ein klares, rechtliches Verbot der PID“ sowie der verbrauchenden Embryonenforschung. Er sprach sich grundsätzlich dagegen aus, dass über „lebensunwertes Leben“ überhaupt diskutiert werde.
Für den Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK), Jörg-Dietrich Hoppe, darf Deutschland sich aus der internationalen Entwicklung nicht ausklinken. Mit Verweis auf die Nachbarländer Frankreich, Großbritannien und Belgien, wo PID erlaubt sei, plädierte er dafür, diese Technik auch hier zuzulassen. Hoppe wiederholte seine Auffasssung, dass PID eigentlich auch ohne Änderung des Embryonenschutzgesetzes zulässig sei. Diese Meinung ist jedoch auch in Ärztekreisen umstritten. So setzte sich vor kurzem auf dem Ärztetag der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Ulrich Montgomery, für die Aufrechterhaltung des PID-Verbotes ein.
Auch die Gesundheitsministerin möchte das Embryonenschutzgesetz nicht ändern, um die PID zuzulassen. Ein Neufassung hält sie jedoch an anderer Stelle für möglich. Zur Zeit könne die künstliche Befruchtung „nur von Ehepaaren in Anspruch genommen werden“, sagte Fischer, „andere Lebensgemeinschaften, insbesondere gleichgeschlechtliche Paare, sind immer noch wenig gesellschaftlich akzeptiert“. Auch sie hätten „ebenso wie Alleinstehende einen verständlichen Wunsch nach einem eigenen Kind. Die Frage, ob in diesen Fällen gesetzlich der Zugang zu den Methoden der Fortpflanzungsmedizin eröffnet werden soll, ist zu diskutieren.“
Geprüft werden soll auch, ob künftig neben der derzeit erlaubten Samenspende auch die Eizellspende zulässig sein soll. Dann könnten bei der In-vitro-Fertilisation auch fremde Eizellen befruchtet und einer Frau übertragen werden. Diese Themen stehen noch auf der Tagesordnung des Berliner Kongresses, der heute zu Ende geht. Im Zusammenhang mit der Eizellspende sind noch eine Reihe von Fragen zu diskutieren. So sollen unter anderem noch neben den medizinischen Problemen auch rechtliche und ethische Fragen „mit Blick auf die so genannte gespaltene Mutterschaft“ behandelt werden.
Wie die Diskussion um das Embryonenschutzgesetz ausgehen wird, weiß auch Andrea Fischer nicht: „Ich kann keine Prognose darüber abgeben, welche Mehrheiten wir schlussendlich für welche Position haben.“ Ob es zu einer Lockerung des nach Meinung vieler Wissenschaftler zu strengen Gesetzes kommen wird, entscheiden letztendlich die Abgeordneten im Bundestag. Dort wird sich auch die vor kurzem eingerichtete Enquetekommission zur Medizinethik mit diesen Themen ausgiebig befassen. Diese Woche noch soll in der Enquetekommission der Fahrplan für das weitere Vorgehen verabschiedet werden.
Ein endgültiges Ergebnis wird es auch auf dem Berliner Kongress nicht geben. Das hat auch niemand erwartet. Fischer erhofft sich zumindest, dass „sich am Ende ein Weg abzeichnet, wie und in welche Richtung wir die Diskussion in den nächsten Monaten weiterführen wollen. Die Debatte ist jetzt zumindest eröffnet. Um eine möglichst breite Beteiligung zu ermöglichen, gibt es auf vom Gesundheitsministerium eingerichteten Internetseiten (http://www.dialog-gesundheit.de) ausführliche Infos über den Kongressverlauf.
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