piwik no script img

Genozid-Moderator

Georges Ruggiu, der weiße Hetzer des ruandischen Völkermordsenders Mille Collines, ist vom UN-Tribunal zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden

„Er ist Europäer, er ist kein Hutu, er ist kein Ruander“, so Chefanklägerin Carla Del Ponte über Georges Ruggiu, der gestern vom Ruanda-Tribunal der UN verurteilt wurde. Freiwillig habe sich der Chefhetzer des berüchtigten Rundfunksenders Radio-Television des Mille Collines 1994 an einem Genozid beteiligt, der 800.000 Menschen das Leben kostete. Auf Grund dieser erschwerenden Umstände verlangte Del Ponte zwanzig Jahre Haft für Ruggiu. Das Tribunal zeigte sich gnädig: Der Geständige muss nur zwölf Jahre sitzen.

Ruggiu ist eine der schillerndsten Figuren in der Geschichte des ruandischen Genozids. 1957 im belgischen Verviers als Sohn eines Italieners und einer Belgierin geboren, schloss er sich in seiner Jugend rechtsextremen belgischen Kreisen an und entdeckte zugleich als Lehrer in der Entwicklungshilfe seine Liebe zu Ruanda. Später trat er in Belgien einem der ruandischen Regierung nahe stehenden „Reflexionskreis“ bei und wurde 1993 unter ungeklärten Umständen nach Ruanda entsandt.

Dort half er hochrangigen Politikern, den Privatsender Radio-Fernsehen der tausend Hügel (RTLM) aufzubauen. Im Januar 1994 wurde Ruggiu einer von acht Angestellten des Senders. Als RTLM-Sprecher und Programmberater war er mit verantwortlich für die zahlreichen Anti-Tutsi-Hetzsendungen, die gekoppelt mit populärer Musik die Station zum beliebtesten ruandischen Massenmedium machten – besonders nach Beginn der Massaker im April 1994.

Als Ruandas Völkermordregime und damit RTLM zusammenbrach, floh Ruggiu nach Tansania und später nach Kenia. Dort wurde er im Juli 1997 verhaftet und an das UN-Tribunal im tansanischen Arusha ausgeliefert. Die Anklageschrift befand, seine Sendungen hätten zum Völkermord aufgewiegelt und seien Akte der Verfolgung von „Tutsi, einigen Hutu und belgischen Staatsbürgern“ gewesen.

Zunächst plädierte Ruggiu auf nicht schuldig – bis er im September 1999 gestand. Am 15. Mai 2000 plädierte Ruggio dann öffentlich in beiden Anklagepunkten auf schuldig und entschuldigte sich zugleich. „Ich bedaure die Ereignisse“, sagte er. „Ich will bestätigen, dass es sich tatsächlich um einen Völkermord handelte und dass ich leider daran teilnahm.“ Gestern fiel das Urteil – das mildeste, das je vom Ruanda-Tribunal gefällt worden ist, und nicht sehr schlimm für eine Person, deren Arbeit zum Inbegriff der Perversion von Journalismus geworden ist. Möglicherweise kann Ruggiu seine zwölf Jahre sogar in Italien absitzen.

DOMINIC JOHNSON

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen