: Atomkonsens: Einigung jetzt?
Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Stromkonzernen angeblich fast abgeschlossen: Restlaufzeiten der deutschen AKW werden über Strommengen bestimmt, Mülheim-Kärlich eingerechnet. Der letzte Meiler geht in knapp 30 Jahren vom Netz
von REINER METZGER
Am Mittwoch oder Donnerstag soll angeblich die entscheidende Sitzung bei den Atomkonsens-Verhandlungen sein, berichten verschiedene Zeitungen in ihrer Wochenendausgabe. Weder von der Industrie noch von der Bundesregierung wurde das allerdings gestern bestätigt.
„Uns ist von einem solchen Termin nichts bekannt“, sagte gestern eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums. Ähnliches war aus dem Kanzleramt zu hören. Traditionell nehmen weder die Bundesregierung noch die Konzerne Stellung. Einzig der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Rezzo Schlauch, sagte der Magdeburger Volksstimme: Er sei „sehr zuversichtlich, dass der Atomausstieg in den nächsten Tagen im Konsens festgeschrieben wird“.
Schon seit Wochen heißt es, Fragen wie Wiederaufarbeitung, End- und Zwischenlager seien abgehakt. Der letzte strittige Punkt – und von Anfang an der entscheidende – sei die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke.Focus und Süddeutsche Zeitung berichten nun übereinstimmend von einer absehbaren Einigung. Die Ausstiegsfristen sollen in Strommengen umgerechnet werden. Laut Focus soll zwischen dem Bundeskanzler und den Konzernvorständen ein definitives Datum für das Abschalten des letzten AKW festgelegt werden, und zwar irgendwo zwischen 2025 und 2029.
Im Gespräch sind angebliche Reststrommengen von 2.500 (SZ) beziehungsweise 2.600 bis 2.700 Terawattstunden (Focus). Zum Vergleich: Ein typisches Atomkraftwerk produziert in einer Stunde 1.000 Megawattstunden, das ist eine tausendstel Terawattstunde. 2.600 Terawattstunden entsprechen einer Laufzeit von durchschnittlich etwa 32 Jahren.
Ende 1999 rechnete der grüne Staatssekretär im Bundesumweltminsterium, Rainer Baake, seinem Minister in einem internen Papier vor, was 2.500 Terawattstunden Reststrommenge bedeuten: Damit könnten die AKW-Betreiber „noch einmal fast genau die Menge Atomstrom“ erzeugen, die sie bisher in Deutschland seit dem Start der ersten Großreaktoren im Jahr 1968 produziert haben.
Strittig ist laut SZ noch der RWE-Meiler Mülheim-Kärlich. RWE will den durch Gerichtsbeschluss stillgelegten Reaktor als laufendes AKW behandelt wissen, die Grünen sind eigentlich dagegen. Doch seien sich RWE-Chef Kuhnt und Minister Jürgen Trittin schon recht nahe: Trittin biete an, Kärlich mit zehn Jahren Laufzeit einzurechnen, Kuhnt fordere zwölf. Dafür wolle Kuhnt das Alt-AKW Biblis A in gut zwei Jahren vom Netz nehmen.
kommentar SEITE 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen