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Frauen setzen UNO unter Druck

Paralell zu „Peking + 5“ tagen in New York regierungsunabhängige Frauenorganisationen. Hier gibt es Bewegung, während sich die offiziellen Delegierten langsam durch das Schlussdokument ackern. Vor allem eine junge Truppe macht mobil

aus New York CHRISTA WICHTERICH

„Wie können wir Energie aus diesem Saal in die anderen Konferenzräume schaufeln?“, fragt Angela King, frauenpolitische Beraterin von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, die in Konferenz- saal 4 der Vereinten Nationen versammelten Frauenorganisationen. Nebenan ackern die Regierungsdelegationen sich im Schneckentempo durch das Ergebnisdokument, das die Sondergeneralversammlung „Frauen 2000“ am Freitag verabschieden soll.

Auf der UNO-Versammlung in New York, die fünf Jahre nach der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking Bilanz zieht, streiten die offiziellen Delegierten über Halbsätze und Kommata und kapitulieren vor der Verzögerungstaktik von einer Hand voll konservativer islamischer und katholischer Staaten von Algerien bis Nicaragua. Diese wollen sich keinen Termin für die Abschaffung frauendiskriminierender Gesetze vorschreiben lassen, stellen erneut in Frage, dass Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung ist, und wollen verhindern, dass Gesundheitsdienste für Frauen Abtreibung einschließen.

Tenor ist jetzt jedoch: Hauptsache, überhaupt ein Dokument wird produziert – notfalls eins, das um die strittigen Passagen abgespeckt ist. Ein komplettes Scheitern der Verhandlungen will zum Beispiel die EU verhindern, weil es ein fatales Signal wäre, dass Frauenpolitik kein Thema mehr ist.

„Im Krieg der Worte gehen die Anliegen der Afrikanerinnen unter“, sagt Joanna Foster vom panafrikanischen Frauenrechtsnetzwerk Wildaf. Wie die Wachhunde lauern die regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) draußen vor den Verhandlungstüren – doch letztlich sind sie macht- und einflusslos.

In ihrem „Globalen alternativen Bericht“ lesen sie den Regierungen die Leviten: chronischer Mangel an politischem Willen und zu wenig Bereitschaft, „in Frauen zu investieren“. Trotz einiger Verbesserungen im Rechtsbereich identifizieren die NGOs in ihrem Bericht drei zentrale Felder, wo die Regierungen weitgehend versagt haben: die politische Beteiligung von Frauen zu stärken, ihre wirtschaftliche Existenzsicherung zu unterstützen und sie vor den negativen Auswirkungen der Globalisierung zu schützen. Zentrales Anliegen der Frauen aus dem Süden ist, „Geschlechtergerechtigkeit mit wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu verbinden“, wie Gita Sen vom Süd- Netzwerk Dawn formuliert.

Die „Peking + 5“-Konferenz ist für die Frauenorganisationen Station auf einer „25-jährigen Reise durch UN-Konferenzen, die mit der 1.Weltfrauenkonferenz in Mexiko begann“, sagt Devaki Jain, Veteranin der indischen Frauenbewegung. Sie war 1975 in Mexiko und bei allen weiteren UN-Frauenkonferenzen dabei, „mit Freude und Schuldgefühlen gleichzeitig“. Denn den Frauen an der Basis, denen sie sich verpflichtet fühlt, hätten die Konferenzen nicht erheblich weitergeholfen. Die beiden größten Erfolge der Konferenzserie seien gewesen, dass die Frauenbewegungen die Staaten und die Rechtssysteme sensibilisiert hätten und selbst politisch sichtbar geworden wären. Die Frauenbewegung braucht ihrer Meinung nach keine weitere „Bürokratisierung“, sondern eine neue Mobilisierung, mit „gezielten Anti-Apartheid-Kämpfen, geführt von vielen Mandelas“.

Die 200 jungen Frauen, die im letzten halben Jahr per Internet das globale „Netzwerk junger Frauen“ auf die Beine gestellt haben, waren 1975 noch nicht einmal geboren. Ihr neuer „Dritte-Welle“-Feminismus und der Generationendialog mit den Altfeministinnen stellen einen zentralen Diskussionsstrang bei der Frage der NGOs nach Perspektiven dar. „Wir gehen nicht zum Demonstrieren auf die Straße, wir verbrennen keine BHs wie die alten Feministinnen, wir wollen sie tragen. Aber wir kämpfen trotzdem gegen die Ungerechtigkeit, die wir erleben“, sagt die deutsche Koordinatorin des Netzwerks, Franziska Brantner. Vielfältig sind die Ansätze und Aktivitäten der Jungfeministinnen, in der Musik, im Film und im Internet, vom Kampf für sexuelle Rechte bis zum Kampf gegen die Welthandelsorganisation WTO. Ausgehend vom Lokalen setzen sie auf themenspezifische globale Allianzen z.B. zu den Arbeitsbedingungen von Frauen in der Exportindustrie oder in Sachen Prävention und Behandlung von HIV/Aids.

Mit ihrer Wut und Begeisterung sind sie die Hoffnungsträgerinnen dafür, dass die Frauenbewegungen nicht am Ende sind, sondern sich nur anders organisieren. Für den Abschlusstag der Sondergeneralversammlung haben die Frauen-NGOs jedenfalls eine Veranstaltung angekündigt mit dem Titel: „Es gibt ein Leben nach ‚Peking + 5‘“.

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