Schwergewicht in der Spitzengruppe

■ HEW-Bilanz: Rekorddividende trotz Erlöseinbrüchen. Klagen auf Schadenersatz bei erzwungenem Atomausstieg angedroht

In Kernfragen versteht Manfred Timm weiterhin keinen Spaß. „Wir behalten uns eine eigenständige Entscheidung vor“, verkündete der Vorstands-Chef der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts 1999. Adressat der kaum verhohlenen Drohung ist die rot-grüne Bundesregierung, von der Timm sich übergangen fühlt.

Denn diese hält die Atomstromer aus der City Nord für zu unbedeutend, als dass sie die HEW an den Konsensgesprächen mit den Großen der Energiewirtschaft über den Atomausstieg beteiligen würde. Deren Ergebnis jedoch sei „für uns von existenzieller Bedeutung“, stellte Timm klar. Bei Nichtgefallen müssten die HEW deshalb „sorgfältig abwägen“, ob sie gegen eine erzwungene Stillegung von Atomreaktoren auf Schadensersatz klagen würden. Denn „die Kernernergie bleibt für uns eine strategische Option im liberalisierten Strommarkt“. Womit Timm nichts anderes meint als seine Entschlossenheit, die vier HEW-Meiler bis zum letzten Brennstab strahlen zu lassen.

Denn die nackten Zahlen der Jahresbilanz sprechen eine deutliche Sprache (taz berichtete vorab). Trotz gestiegenen Absatzes und erhöhten Umsatzes ging der Gewinn gegenüber der Rekordmarke von 163 Millionen in 1998 um fast ein Viertel auf 124,6 Millionen Mark zurück. Auch in den ersten vier Monaten dieses Jahres ist eine weiter rückläufige Tendenz zu verzeichnen. Der „dramatische Preiskampf“, so der HEW-Chef, auf dem Strommarkt hinterläßt eben Spuren.

Aber nicht für die Aktionäre. Die Dividende wird trotz „der Erlöseinbrüche“ mit 27 Prozent auf dem 98er Rekordniveau bleiben. Dafür werden, daran ließ Timm keinen Zweifel, die begonnenen Sparmaßnahmen weitergeführt. Die Sach- und Personalkosten würden weiterhin bis Ende 2002 um jährlich 195 Millionen Mark reduziert. Im Vorjahr wurde bereits die Belegschaft von 4624 MitarbeiterInnen um 2,4 Prozent vermindert; das Ziel von unter 4000 Beschäftigten soll in eineinhalb Jahren erreicht sein.

Zugleich bestätigte Timm offiziell den gestrigen taz-Bericht, wonach die HEW und ihr schwedischer Großaktionär Vattenfall am Kauf des ostdeutschen Energiekonzerns VEAG interessiert sind: „Wir planen den gemeinsamen strategischen Einstieg im größtmöglichen Umfang.“ Dadurch könnten die HEW in Deutschland „einen Platz in der Spitzengruppe erreichen“ und, so Timms Traum, zusammen mit Vattenfall „als Schwergewicht“ auch „im europäischen Wettbewerb nachhaltig bestehen“. Sven-Michael Veit