: erfahrungen
Verkauf der Gehag
Ist das Beispiel abschreckend? Oder ermutigend? Anderthalb Jahre nach dem ersten Verkauf einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft an einen privaten Investor ziehen die Akteure – je nach Interessenlage – unterschiedliche Bilanzen.
Für 950 Millionen Mark hatte der Senat einen 50-Prozent-Anteil an der Gesellschaft Gehag mit ihren rund 30.000 Wohnungen an die Rinteln-Stadthagener Eisenbahngesellschaft (RSE) verkauft, die wenig später vom Immobilienkonzern WCM des Hamburger Geschäftsmanns Karl Ehlerding übernommen wurde.
Ehlerding hat sich in den vergangenen Jahren darauf spezialisiert, der chronisch klammen öffentlichen Hand Wohnungsbestände abzunehmen und die Immobilien mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Seinen bislang größten Coup landete der Unternehmer, als er von der Kohl-Regierung den Zuschlag für die bundeseigenen Eisenbahnerwohnungen erhielt. Fast zeitgleich überwies er eine Millionenspende an die CDU.
In Berlin agiert die WCM nach dem gleichen Muster wie andernorts: Nachdem sie im Vertrag mit dem Senat einen extrem günstigen Preis von rund 1.000 Mark pro Quadratmeter herausgehandelt hatte, sucht sie die Wohnungen jetzt zum doppelten Preis loszuschlagen.
Zum ersten Experimentierfeld innerhalb der Stadt erkor sie die denkmalgeschützte Hufeisensiedlung des Bauhaus-Architekten Bruno Taut. Dort haben die Mieter jetzt eine Genossenschaft gebildet, mit deren Hilfe sie ihre Siedlung selbst übernehmen wollen. Morgen ist das nächste Gespräch mit der Gehag, die bislang einen Quadratmeterpreis von 1.900 Mark verlangt. Bei den Verhandlungen mit der Gesellschaft treffen die Mietervertreter auf einen alten Bekannten: Exbausenator Jürgen Klemann sitzt im Gehag-Vorstand. Auf Kontakte ist die WCM bei ihren Geschäften schließlich angewiesen.
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