: Eigentümer zahlen weniger
Verfassungsgericht verlagert Kosten für Altlastensanierung stärker auf Allgemeinheit
FREIBURG taz ■ Viele Eigentümer von chemieverseuchten Grundstücken können aufatmen. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Pflicht, die Kosten einer Sanierung zu tragen, in einem gestern bekannt gemachten Beschluss in mehrfacher Weise begrenzt. Mit dieser Grundsatzentscheidung geht eine über zwanzigjährige juristische Diskussion vorerst zu Ende. An den Eigentümer eines verseuchten Grundstücks halten sich die Behörden vor allem dann, wenn der eigentliche Verursacher nicht ermittelt werden kann oder mittellos ist.
Zu entscheiden hatte Karlsruhe nun einen typischen Fall: Eine baden-württembergische Firma wollte ihr Betriebsgelände erweitern und kaufte ein Nachbargrundstück hinzu. Nach einigen Jahren stellte sich heraus, dass das Grundstück mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verunreinigt war. Die von den Behörden angeordnete Sanierung kostete 1,1 Millionen Mark, während das Grundstück nur einen Verkehrswert von 350.000 Mark hatte. Der Verursacher der Altlast war längst pleite, so dass die jetzige Eigentümerin auf den Kosten sitzen blieb. Mit einer Verfassungsbeschwerde rügte sie, dass damit ihr Grundrecht auf Eigentum verletzt sei.
Tatsächlich stellte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nun neue Grundsätze für die Inanspruchnahme von Eigentümern für die Sanierungskosten auf. Danach ist es zwar grundsätzlich zulässig, den Eigentümern die Kosten unverschuldeter Altlasten aufzubürden, da sie auch den Nutzen aus einem Grundstück oft nicht selbst verursacht hätten. Gleichzeitig beschränkte Karlsruhe aber die Haftung auf „zumutbare“ Kosten. Zentraler Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit ist, so Karlsruhe, der Verkehrswert des Grundstückes nach Durchführung der Sanierung. Liegen die Sanierungskosten darüber, ist dies für den Eigentümer in der Regel „unzumutbar“. Dasselbe gilt, wenn die Fortführung des betroffenen Betriebs „gefährdet“ würde. Dabei ist Vermögen, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem konkreten Grundstück steht, nicht einmal in die Abwägung einzubeziehen.
Die Übernahme der ganzen Sanierungskosten hält Karlsruhe dagegen für zumutbar, wenn der Eigentümer beim Kauf das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. Bei fahrlässiger Unkenntnis sind künftig allerdings Abstriche möglich. Der baden-württembergischen Firma war vorgeworfen worden, sie hätte gewusst, dass auf dem Nachbargrundstück mit Chemikalien gearbeitet wird. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hatte daher eine Begrenzung der Kosten von vornherein ausgeschlossen. Karlsruhe hat das Berliner Urteil nun aber aufgehoben und eine neue Entscheidung verlangt. (Az. 1 BvR 242/91, www.bundesverfassungsgericht.de) CHRISTIAN RATH
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