: Neonazi staatlich gesponsert
Rechtsextremist Thomas Dienel war Spitzel des Verfassungsschutzes und ließ sich von ihm subventionieren. Verfassungsschutzpräsident Roewer soll zurücktreten
NÜRNBERG taz ■ Der Thüringer Neonazi Thomas Dienel war geradezu vergnügt: „Das Landesamt für Verfassungsschutz, und darüber muss ich lachen, hat mir massenweise Aufkleber finanziert. Das habe ich als Spendengelder angesehen“, sagte Dienel gegenüber dem ZDF-Magazin „Kennzeichen D“. Der Mann, einst einer der führenden Köpfe der rechtsextremen Szene, gab damit zu, bezahlter Informant des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (VS) gewesen zu sein. Ein Geständnis, das VS-Präsident Helmut Roewer in Bedrängnis bringt.
V-Männer und geheime Informanten sind in der rechtsextremen Szene nichts Neues. Problematisch ist, dass die freien Mitarbeiter des Verfassungsschutzes das Staatsgeld oft als politische Subvention benutzen: Sie bauen die Naziszene erst auf oder stiften zu Aktionen an. So trainierten zum Beispiel drei der vier Attentäter des tödlichen Brandanschlags in Solingen bei einem VS-Spitzel.
Ein schillernde Figur war auch Thomas Dienel, der 1992 zweifelhafte Berühmtheit erlangte. Auf dem Höhepunkt der Welle rassistisch motivierter Gewalttaten beantragte der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU), dem Weimarer Neonazi wesentliche politische Grundrechte abzuerkennen. Der 31-jährige Dienel hatte es zu diesem Zeitpunkt vom langjährigen FDJ-Sekretär zum Geschäftsführer eines Sexclubs und zum Vorsitzenden der Thüringer NPD gebracht. Im April 1992 gründete er die „Deutsch Nationale Partei“, warf Schweinsköpfe in den Hof der Erfurter Synagoge, inszenierte Wehrsportübungen und hatte, insbesondere vor laufender Kamera, stets einen markigen Spruch parat. Auch bei seiner Verurteilung zu knapp drei Jahren Haft wegen Volksverhetzung schwang er große Reden: „Wir werden dafür sorgen, dass Kanaken hier in Deutschland nicht mehr existent sind.“
Obwohl Dienel aus der Haftzelle heraus mit seinen Gesinnungsgenossen Kontakt hielt und sich nach seiner Freilassung mit Vorträgen in der Neonaziszene über Wasser hielt, sah das Bundesverfassungsgericht 1996 eine günstige Sozialprognose für ihn und lehnte damit Seiters’ Vorstoß ab. Man habe ihm zu erkennen gegeben, dass man „Strafverfahren von mir weghalten kann“, betonte Dienel nun vieldeutig dem ZDF-Reporter Rainer Fromm. Ob die günstige Sozialprognose mit seiner Informantentätigkeit im Zeitraum 1996/1997 für den Verfassungsschutz zusammenhängt, darüber schweigen sich Dienel und auch das Thüringer Landesamt aus. Dienel betonte aber, dass seine Tätigkeit der „rechtsextremen Szene genutzt“ habe. Über solch „organisatorische und operative Einzelheiten“ seines Amtes will sich Verfassungsschutzchef Roewer naturgemäß nicht äußern.
Sein Schweigen bringt jedoch nicht die Kritik an seiner Person zum Verstummen. Obwohl die Neonaziszene in Thüringen seit Jahren sehr rege ist, wird Roewer nicht müde zu behaupten, der Rechtsextremismus im Land sei kein Problem. Darüber hinaus hatte Roewer, der seine Mitarbeiter den Thüringer Flüchtlingsrat und Gewerkschaftsfunktionäre ausspähen ließ, bei einer Veranstaltung im Januer letzten Jahres in Jena über die „guten und schlechten Seiten“ des Dritten Reiches schwadroniert. Nach dem Bekanntwerden von Dienels Tätigkeit für Roewers Amt halten sowohl Thüringens SPD-Landesvorsitzender Christoph Matschie als auch der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, den VS-Chef für untragbar. BERND SIEGLER
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