: Unverbindlicher Ausstieg
Atomkonsens? Neue Diskussionen in Hamburg um Restlaufzeiten oder Reststrommengen für HEW-Atommeiler ■ Von Sven-Michael Veit
Johannes Altmeppen sieht keinerlei Grund zur Aufregung: „Das hat null Verbindlichkeit für uns“, kommentiert der Sprecher der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) die neuesten Informati-onen zum Atomausstieg. Die rot-grüne Bundesregierung und die Chefs der vier größten deutschen Energiekonzerne könnten allenfalls „politische Absichtserklärungen“ abgeben. Die HEW aber sind in diese Gespräche nicht eingebunden, und darum „unterschreiben wir auch keine Vereinbarung anderer“.
Über Pfingsten wollen Regierung und Konzerne „die noch offenen Fragen“ für einen konsensualen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie klären, verlautete gestern aus Berliner Regierungskreisen. Ziel sei die Vorbereitung eines Treffens von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und den Spitzen der Atomkonzerne am Mittwoch, um „den Ausstieg zu besiegeln“. Dabei solle die entscheidende Frage der Restlaufzeiten für Atomreaktoren geklärt werden. In einem gestern bekannt gewordenen Entwurf (taz berichtete) wird lediglich von „Reststrommengen“ gesprochen: „Für jede einzelne Anlage wird festgelegt, welche Strommenge sie bis zur Stillegung maximal produzieren darf.“
Da seien noch viele Fragen offen, findet Altmeppen. Ohne konkrete Angaben zu Mengen und Laufzeiten könnten die HEW „keine Bewertung“ abgeben. Klar ist jedoch die Haltung der HEW zu einem nachfolgenden Ausstiegsgesetz. Dieses würde, so HEW-Chef Manfred Timm, daraufhin zu prüfen sein, ob es „für unsere Anlagen akzeptabel ist“.
Zugleich verweist Timm auf Erfahrungen seines Großaktionärs Vattenfall in Schweden. Dort ist die Stilllegung des AKWs Bärsebäck „nur durch Zahlung einer hohen Entschädigung durch den Staat gelungen“. An diesem Verfahren, so der HEW-Chef „haben wir uns zu orientieren“.
Auch Axel Bühler mag sich noch nicht abschließend zu den Berliner Signalen äußern. Eine Strommengenbegrenzung findet der Energieexperte der GAL „grundsätzlich konstruktiv“. Das Problem liege aber möglicherweise in der zeitlichen Umrechnung. Wenn die Mengen sich „an 30 Jahren Gesamtlaufzeit für jeden Reaktor orientieren“, habe er „keine Bauchschmerzen“ damit: „Das entspricht dem grünen Parteitagsbeschluss.“
Danach sei eine längere Betriebsdauer zum Beispiel des jüngs-ten HEW-Meilers Brokdorf für Bühler akzeptabel, wenn die Alt-Reaktoren Stade und Brunsbüttel „rasch stillgelegt“ würden. Die rot-grüne Hamburger Koalitionsvereinbarung strebt an, bis zur Jahreswende 2002 / 2003 mindestens eines der vier Atomkraftwerke im Norden abzuschalten.
Davon könne nun gar keine Rede mehr sein, findet hingegen Lutz Jobs, Atomexperte des Regenbogen. Ohne bindende Restlaufzeiten und Stilllegungsgarantie sei die Berliner Konsensregelung „Nonsens“. Mit dem Atomausstieg, so Jobs, „hat das nichts mehr zu tun und übertrifft unsere schlimmsten Befürchtungen“.
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