: Kaum Fortschritte
Das umkämpfte Abschlussdokument der New Yorker UN-Frauenkonferenz kennt keine sexuellen Rechte
NEW YORK epd ■ Ob enttäuscht oder erleichtert, am Ende waren alle erschöpft. Nächte hindurch wurde auf der UN-Sondergeneralversammlung „Frauen 2000“ um die Gleichberechtigung gerungen. Der Streit um Familienplanung, Abtreibungen und sexuelle Rechte war besonders hart. Der Vatikan, islamische und katholische Staaten sperrten sich und stellten das Konsensprinzip der UNO auf eine harte Probe. Am Ende konnten westliche Staaten den Hardlinern nur Positionen abringen, die bereits auf der Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo und auf der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking verabschiedet worden waren: Das Recht auf Familienplanung und die Empfehlung, Abtreibungen nicht mehr zu bestrafen und fachgerecht zu ermöglichen.
Die Begriffe „sexuelle Rechte“ oder „sexuelle Orientierung“ durfte nicht auftauchen. Das in Peking hart erkämpfte Recht, dass Frauen nein sagen dürfen – und selbst über ihre Sexualität entscheiden können, musste gegen starken Widerstand durchgesetzt werden. Doch die Gruppe der Hardliner war kleiner als in Peking. Libyen, der Irak, der Sudan, Syrien, Nicaragua und Polen gehörten dazu. Vor Rückschritten wurde immer wieder gewarnt. „Wir wollen kein Peking minus fünf, wir wollen Peking plus fünf“, appellierte die Leiterin des Hauptausschusses der Generalversammlung, die Tansanierin Christine Katapala, an die Delegierten. Am Ende hieß es erleichtert: „Die Beschlüsse von Peking wurden bekräftigt.“
Damit wollten sich die 2.000 anwesenden Frauen nicht zufrieden geben. Sie vermissten den großen Schritt nach vorn. Die erreichten Erfolge traten daher oft in den Hintergrund: die Verurteilung der genitalen Verstümmelung von Mädchen, von Zwangsehen und „Morden aus Gründen der Ehre“ als Menschenrechtsverletzungen. Ebenso der Aufruf, energisch gegen Menschenhandel vorzugehen. Das Bekenntnis, dass die Globalisierung nicht zur Ausgrenzung der Frauen führen dürfe, sie Anschluss an die „Wissensgesellschaft“ finden müssten, fiel vielen zu vage aus. Zum Kampf gegen die Immunschwäche Aids, die immer mehr zu einer weiblichen Krankheit wird, hatten sie sich klarere Zusagen gewünscht.
Die Hauptziele von Peking, die Reduzierung der Frauenarmut, die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und die Gleichstellung in allen Lebensbereichen, wurden bei weitem nicht erreicht, bilanzierten Frauen und Regierungen. Aber es gab einen Bewusstseinswandel: Die Staaten bekannten sich in New York viel energischer zu diesen Zielen.
Von der Revolution, die 1995 in Peking beginnen sollte, war leider nichts zu spüren, als sich die New Yorker Konferenz in Haarspaltereien über Formulierungen im Schlussdokument verlor. Trotzdem ist es ein Handlungskatalog für eine bessere Welt, würde er nur verwirklicht.
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