: High Noon im Rep-Ländle
Feldherr Rolf Schlierer wird zur Guillotine getragen, Vize Christian Käs bringt sich in Stellung: wenn die Urinstinkte des „Republikaners“ erwachen
von JENS RÜBSAM
Für den Wirt der Sportlerklause „Südstern“, gelegen am Rande von Singen, ist alles wie gewohnt – die Bestellung: Bier und Wein; die Gäste: Absteiger und Verlierer. Wen auch immer er in diesen Tagen zu bedienen hat, Fußballer oder Politiker, der Kneipier vom Bodensee hat es vornehmlich mit Gestrandeten zu tun. Die Südstern-Kicker krebsen in der Bezirksliga, die Gäste frösteln laut Forschungsgruppe Wahlen im Umfragetief.
Die Lage ist schlechter als die Stimmung an diesem Abend im Frühsommer. Zugeneigt dem Alkohol, frönend dem Gelächter, palavernd über des Reps liebste Themen: Ausländer, Euro, patriotische Politik – die Herren von der baden-württembergischen „Republikaner“-Fraktion treffen sich zu wichtigem Tun. Zwei scheinen einander besonders sympathisch zu finden: Rolf Schlierer, Rep-Bundesvorsitzender und Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, und Christian Käs, Rep-Bundesvize und Landeschef von Baden-Württemberg. Ein Duell zwischen Ihnen beiden? „Nein“, sagt der eine. „Überhaupt nicht“, sagt der andere. Nur Ruhe bewahren im Stellungskrieg.
Die pure Existenzangst
Die Idylle trügt. Fronten werden gezogen, Schützengräben ausgehoben, ein Feldherr wird zur Guillotine getragen, ein anderer bringt sich in Stellung. Die Urinstinkte des „Republikaners“ sind wach wie nie zuvor. High Noon im Rep-Ländle, im ganzen Rep-Land.
Der Grund: die pure Existenzangst. Offiziell werden 15.000 Mitglieder vermeldet, hinter vorgehaltener Hand heißt es aber: nur noch 12.500. Offiziell nennen sich die „Republikaner“ Bundespartei, von überall her tönt aber der Spottruf: Ländle-Verein. Offiziell wird der nationalliberale Kurs des Vorsitzenden Schlierer gefahren, parteiintern aber hat dieser längst keinen Rückhalt mehr. Die von vielen gewünschte Marschrichtung: weiter nach rechts.
Es ist wie immer: Des „Republikaners“ Lieblingsfeind ist der „Republikaner“ selbst. Als Nächstes kommt der Ex-Rep. Und dann der, der rechts neben ihm steht. Was tun? Nichts weiter als Ausharren vor dem Schlachthof. Hier geht’s ums Überleben – in fünf Monaten ist Bundesparteitag, in neun Landtagswahl in Baden-Württemberg.
„Ein Hauen und Stechen findet momentan statt“, sagt ein hoher Parteifunktionär. „Es wird etwas was passieren“, raunt ein anderer. „Ich stehe bereit zur Kandidatur gegen Schlierer“, verkündet Gottfried Burischek, hessischer Generalsekretär und bekennender Rechtsaußen. Eine klare Kampfansage.
Sollte es Bundeschef Rolf Schlierer, 45, derzeit noch wagen, in die Partei hineinzuhören, es dürften ihm gewaltig die Ohren wackeln. „Autoritätsverlust“, „Unglaubwürdigkeit“, „Fehlentscheidungen“ werden ihm beschieden, sein „liebdienerischer Kurs an die Union“ wird ihm angekreidet, manche hoffen gar, er möge „aus dem letzten Landtag fliegen“, damit der Weg endlich „frei wird für einen Neuanfang“.
Derweil gewinnt bei den „Republikanern“ ein neues Spiel an Beliebtheit: Ich trickse meinen Vorsitzenden aus. Seitdem Franz Schönhuber, Ex-Parteichef, zur unerwünschten Person erklärt und Harald Neubauer, Ex-Generalsekretär, vom Bundespräsidium gar mit Auftrittsverbot belegt worden ist, gibt es nichts Schöneres für den Rep, als auf Veranstaltungen mit Schönhuber oder Neubauer Grußworte zu sprechen und den Geschmähten Beifall zu zollen.
Wie Ende Januar in Wiesbaden. Der Rep-Kreisverband lädt zur Diskussion mit dem grantelnden Schönhuber. Zwei Stadtverordnete heißen „den Alten“ willkommen, zwei Schlierer-Vertrauten wird der Zutritt verwehrt.
Wie Mitte Mai im hessischen Dieburg. Ein „Deutscher Freundeskreis“ bittet Neubauer zum Gespräch. Im Publikum unter vielen Reps: der Landes-Generalsekretär und ein Ex-Bundesvize.
Je schlechter die Laune des Vorsitzenden Schlierer, desto besser die Stimmung seiner Gegner. „Ich bekomme unentwegt Einladungen“, höhnt Schönhuber. „Wo ich auftrete, sind 50 Prozent der Zuhörer Republikaner“, schwärmt Neubauer. Sein neuester Termin: bei der Mainzer Rep-Stadtratsfraktion.
Sie grollen, sie zürnen, sie konstatieren, sie gifteln – Schlierers Widersacher machen Front von allen Seiten.
Der alte Schönhuber grollt: „Dieser Mann muss weg. Der ist verhängnisvoll für die Partei.“ Der eloquente Neubauer zürnt: „Wenn Schlierer seine Landtagseinkünfte verliert, wird er den Bundesvorsitz abgeben, da sind sich alle sicher.“ Der nationale Erneuerer Alfred Mechtersheimer konstatiert: „Die Partei ist in einem schlimmen Zustand.“ Im Internet gifteln enttäuschte Wähler. „Servus“, schreibt einer ins Gästebuch des bayerischen Rep-Landesverbandes, „die Zeit ist reif für eine Zusammenarbeit mit anderen fähigen Patrioten.“
Es ist klar, was der Rep will: sich wieder aufgehoben wissen rechts außen.
Kommunalwahl in Baden-Württemberg, im Herbst vergangenen Jahres: Die Pforzheimer „Republikaner“ platzieren auf ihrer Liste zur Gemeinderatswahl den Vorsitzenden des örtlichen DVU-nahen „Freundeskreises ‚Ein Herz für Deutschland‘“ – entgegen aller Abgrenzungsbeschlüsse nach rechts. Ein Zufall? Auf der Karlsruher Liste finden sich einige NPD-Mitglieder. Nur Zufall?
Homepage des Rep-Kreisverbandes Rhein-Neckar: „Lieben Sie deutsche Musik?“, wird hier monatelang gefragt und auf den völkischen Heimatbarden Frank Rennicke, heute Autor des NPD-Parteiorgans Deutsche Stimme, verwiesen. Zufall? „Nein“, sagt einer, der die Seite mit zu verantworten hat, „eine bewusste Provokation.“ Eine Provokation gegen den Kurs der Bundespartei. Rennicke hat seit Oktober 1999 Auftrittsverbot bei den „Republikanern“, was selbst ranghohen Parteifunktionären missfällt. „Ich mag Rennickes Musik“, sagt einer.
Das Kreisverband Rhein-Neckar hat sich inzwischen fast vollständig aufgelöst. Der Kreisvorsitzende, wie einige andere Mitglieder auch, sind nunmehr NPD-Mitglieder und NPD-Kandidaten für die Landtagswahl. „Jedes Prozent, das wir den Republikanern wegnehmen, wird gut tun“, heißt es.
Ellwangen, Anfang Februar. Eingeladen zu einer Vortragsveranstaltung mit Schönhuber hat das Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft, der Vorsitzende: der frühere NRW-Landesvorsitzender der rechtsradikalen Jungen Nationaldemokraten. Im Publikum sitzt einer, der gerade seinen Frieden mit Schönhuber und Co schließt: der baden-württembergische Rep-Landeschef Christian Käs, 39. Zufall? Wohl kaum. Der Rep-Spitzenpolitiker hat ein Faible für rechte Zusammenkünfte.
Villingen-Schwenningen, Weihnachten 1997. Eine Einladung zur einer gemeinsamen Feierlichkeit von „Republikanern“, DVUlern und Mitgliedern der rechtsextremistischen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ soll Käs abgesegnet haben. „Ich habe von ihm die Freigabe gekriegt“, schwört der damalige Kreisvorsitzende noch heute. Als die rechte Sause öffentlich wird, will Käs von der Einladung nichts mehr wissen und lässt den Kreisvorsitzenden fallen.
Gemeinsam mit Neonazis
Kassel, im Juni 1998. Die Rep-Jugend Hessen ruft zu einer Protestkundgebung gegen die Wehrmachtsausstellung. Mittendrin in der illustren Runde von republikweit bekannten Neonazis wie Friedhelm Busse, von 1988 bis zum Verbot Bundesvorsitzender der FAP, und Thomas Wulff, 1. Vorsitzender der 1995 verbotenen „Nationalen Liste“, ein Herr mit Krawatte und mit Megafon in der Hand: Christian Käs. „In einer Ansprache begrüßte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Republikaner ausdrücklich den parteiübergreifenden Zusammenhalt“, halten Neonazis später im Internet fest.
Frankfurt am Main, Januar 1998. Sieben Studenten gründen den rep-nahen „Republikanischen Hochschulverband“. Mit dabei: einer, der bei einem Rudolf-Heß-Kameradschaftsabend schon einmal in Gewahrsam genommen wurde; einer, der beste Kontakte zur militanten Sauerländer-Aktionsfront pflegt; und ein Ex-Wiking-Jünger.
Bruchsal, im Juni 1999. Der Ludwigshafener Neonazi und Skinhead Christian Hehl, Namensgeber einer einschlägigen Wehrsportgruppe, wird im Hause von Andreas Gängel festgenommen. Gängel, ehemaliger Kader der verbotenen Nationalistischen Front, war bis Januar 1999 eingetragenes Mitglied bei den „Republikanern“. Alles Zufall?
Es ist ein Witz: Nach außen den Rechtsextremen ein Pfui, nach innen den Neofaschisten ein Hui. Genau zehn Jahre nach dem Spaltungsparteitag von Ruhstorf stoßen sich die „Republikaner“ heftiger denn je an ihrem Abgrenzungsbeschluss von einst. Damals hockten sie in dem bayerischen Kaff beisammen und entschieden: keine Zusammenarbeit mit DVU und NPD. Inzwischen allerdings scheint die Erkenntnis mehrheitsfähig: Das Dekret hat die Partei eher zum Schafott als zum Erfolg geführt.
Wahlergebnisse der „Republikaner“ lesen sich heute wie die Preise von Kaugummi. In Verfassungsschutzberichten findet sich der Rep nach wie vor. Schlierers Hoffnung, da rauszukommen, erfüllte sich nicht. Ein Schmusekurs lullt keinen Staatsschützer ein – warum da noch Demokratiefähigkeit heucheln, fragt so mancher Rep.
Schmusekurs hin, parteiinterne Softie-Vorwürfe her: Schlierers Saubermann-Image ist so unglaubwürdig wie die Haut der lila Kuh. Nachdem sich der smarte Meister Propper aus Stuttgart im November 1998 mit DVU-Chef Gerhard Frey an einen Tisch gesetzt und Wahlabsprachen ausgehandelt hat, will ihm keiner mehr seine stets lauthals propagierte Abgrenzung so recht abnehmen.
Erst recht nicht, nachdem kürzlich sein Spezi, der ehemalige Rep-Landesjugendbeauftragte von Baden-Württemberg, Markus Burkhard, als vorzüglicher Rechtsextremist entlarvt wurde – ausgerechnet von Schlierers Widersacher Käs: Ende März 1999. Auf einer Rep-Jugend-Veranstaltung in Göppingen gab Burkhard zum Besten: „Zur wahren Demokratie gehört nötigenfalls die Vernichtung der Heterogenen. Wer mit dem Grundgesetz unter dem Kopfkissen schläft, wird die Gedanken eines nationalen Patrioten nicht leicht nachvollziehen können.“ Schlierer will von der Rede nichts gewusst haben, auch nichts von dem im April 99 angestrengten Parteiausschlussverfahren.
Schlierer hält sich bedeckt
Schlierer hält sich bedeckt. Das war anders 1995, als er Burkhard in Schutz nahm, nachdem die Polizei in seinem Auto eine Computer-Anleitung zum Zeichnen von Hakenkreuzen gefunden hatte. Das war anders, als Bundesbruder Schlierer (Germania Gießen) einer Einladung Burkhards zur Frankfurter Burschenschaft Arminia folgte, sein Vortragsthema: „Vom Sinn und Unsinn der Nationalstaatlichkeit im geeinten Europa“. Inzwischen ist Burkhard wegen „ehrenrührigen Verhaltens“ und mit „Schimpf und Schande“ aus der Verbindung ausgeschlossen wurden.
Da sitzen sie nun in der Singener Sportlerklause „Südstern“ beisammen, der Nadelstreifen-Nationalist Schlierer und der Stammtisch-Polterer Käs, so traut, als würden sie gleich Hochzeit halten. Dabei weiß ein jeder im Ländle, die beiden würden sich am liebsten vors Schienbein treten; jeder Rep-Kreisvorsitzende weiß von dem geharnischten Brief, den Schlierer am 10. März diesen Jahres verfasst hat. „Parteischädigendes Verhalten“ wirft er Käs darin vor und dass das Ergebnis bei der Landtagswahl wegen ihm „gefährdet“ sei.
Brandbriefe und Bloßstellungsfaxe – was die baden-württembergischen Reps dieser Tage beschäftigt, könnten Vorlagen für Billig-Soap-Drehbücher sein.
Da straft Fraktionschef Schlierer seinen Fraktionsschatzmeister mit Nichtachtung, weil dieser eine Mitarbeiterin nicht entlassen wollte. Die Mitarbeiterin ist die Frau des Landesgeschäftsführers. Und der Landesgeschäftsführer ist der Freund von seinem Gegner Käs.
Da watscht der Landeschef Käs einen Abgeordneten per Pressemitteilung ab, vermutlich aus dem alleinigen Grund: Der Abgeordnete hat einer Mitarbeiterin gekündigt, seiner, Käs’, Freundin.
Da meldet ein Abgeordneter sechzehn Tage vor der Nominierung des Wahlkreiskandidaten seine greisen Eltern und seinen Neffen an einem Wohnort im Wahlkreis an, vermutlich nur, um seinen Sieg abzusichern.
Showdown in Stuttgart.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen