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Die Strafe: Wahrheit

Mutter schmuggelte Heroin in den Knast: 15 Monate auf Bewährung  ■ Von Elke Spanner

Und dann saß sie ihm wieder gegenüber, und er flehte sie an. „Los, Mutti“, drängelte er, „einmal noch, bitte“. Klar hat sie erst versucht, sich ihm zu widersetzen. Sie hat ihrem Sohn gesagt, sie bringt ihm keinen Stoff mehr mit nach Santa Fu. Aber ihm ging es so schlecht, und ihr als Mutter auch. Also hat sie Jan doch wieder Heroin in den Knast geschmuggelt. Fünf Mal zwischen 1996 und 1997, drei bis vier Mal in den vergangenen Monaten. Gestern wurde Waltraud F. vom Amtsgericht zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Als „junges Mädchen“, wie Waltraud F. sagt, hat sie mal bei einem Rechtsanwalt gearbeitet, seither war sie für die beiden Söhne da. Heute ist sie 63 Jahre alt. Ihr Ehemann begleitet sie zum Gericht, aber mehr will er mit der Sache nicht zu tun haben. „Helmut, kannst Du mir helfen?“, ruft sie ihm einmal auf der Zuschauerbank zu, als sie auf eine Frage keine Antwort weiß. Nein, kann er nicht, murmelt der und senkt trotzig den Kopf.

Erst auf der Anklagebank hat Waltraud F. genug Distanz zu ihrem Sohn, um ihm sein Gedränge und Gebettele vorzuwerfen. „Ich war nur Mittel zum Zweck“, stößt sie hervor und kramt ein weiteres Taschentuch aus der Jacke ihres hellgrauen Kostüms. Im Slip schmuggelte sie das Heroin an den Kontrollen vorbei, traf ihren Sohn im Besucherraum, und wenn sie ihm den Stoff dann übergeben hatte, rauchte er noch ungeduldig eine mit ihr und war auch schon wieder weg. Jedes Mal fand er einen Vorwand, um nach kurzer Zeit in seiner Zelle zu verschwinden. Aber hätte sie ihm kein Heroin mitgebracht, vielleicht hätte er dann gesagt, sie brauche gar nicht mehr zu Besuch zu kommen.

Den Stoff nahm ihr Sohn zum Teil selbst, zum Teil verkaufte er ihn weiter. 200 Mark gab er ihr pro Lieferung. Er nannte ihr seinen Dealer, den rief sie an, traf sich mit ihm, nahm das Heroin entgegen und brachte es mit nach Santa Fu. Selbst als längst Anklage gegen sie erhoben war und eine Verurteilung über ihr schwebte, wurde sie ein weiteres Mal erwischt, eine Woche vor ihrem Prozess.

„Das hat mit Mutterliebe nichts zu tun, das ist ein krimineller Akt“, hält der Richter ihr in der Urteilsbegründung vor. Er straft sie mit der Wahrheit. „Ihrem Sohn“, sagt er, „ging es bei Ihren Besuchen nicht darum, seine Mutter zu sehen. Er wollte Stoff – egal, von wem“.

Waltraud F. nickt. Auch sie will endlich „die Wahrheit sagen“, kann sich darauf aber kaum konzentrieren. Der Richter versucht ihr Hilfestellung zu geben, indem er viele Fragen stellt, die sie einfach mit ja oder nein beantworten könnte. Dennoch blickt Waltraud F. oft ratlos zu ihrem Anwalt oder zu ihrem Mann in der hintersten Ecke der Zuschauerbank.

Sie weiß, dass sie dieses Kapitel nicht abschließen kann, indem sie sich nur vornimmt, sich dem Einfluss ihres Sohnes künftig zu entziehen. Auch ihr Anwalt sagt, sie habe nicht „die Kraft gehabt, sich gesetzestreu zu verhalten“. Waltraud F. braucht Fakten, und die schafft sie sich nun mit dem Prozess. Sie gesteht alles, was in der Anklageschrift steht. Der Polizei will sie helfen, die Dealer zu überführen, zu denen ihr Sohn sie immer geschickt hatte. Außerdem nimmt sie das Urteil sofort an und bedankt sich dafür, „es ist ein faires Urteil“. Bedenkzeit will sie keine mehr. Sie hat schon genug gegrübelt.

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