: Zwischen Freude und Klage
■ Entscheidung für Hörgeschädigtenschule stößt auf mehr und weniger Zustimmung. „Öffnung im zweiten Schritt“ denkbar
„Die Entscheidung ist betrüblich und von der Sache her falsch“, kommentiert Jürgen Thümler, Schulleiter der Schwerhörigenschule Hamburg, die Entscheidung der Deputation der Schulbehörde. Danach werden seine und die Samuel-Heinicke-Schule für Gehörlose nach den Sommerferien zur Hörgeschädigtenschule zusammengeschlossen (taz hamburg berichtete). Eine Entscheidung, die Thümler enttäuscht. „Wir werden jetzt abwarten, ob in der Rechtsverordnung all das geregelt ist, was die Schulbehörde angekündigt hat, beispielsweise den weiterhin getrennten Unterricht von Schwerhörigen und Gehörlosen“.
Die Eltern AG für mehr hörgerichtete Frühförderung nennt die Entscheidung einen „Rückschritt um 50 bis 100 Jahre“ und kündigt an: „Mehrere Eltern prüfen derzeit sehr ernsthaft und zielstrebig den Klageweg vor dem Hamburger Verfassungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht“. Ihrer Ansicht nach garantiere das Schulgesetz einen Bestandschutz von Schwerhörigen- und Gehörlosenschule. Außerdem würden Eltern „bei Einführung der Gebärden an ihren Kindern, die diese nicht bloß nicht brauchen, sondern für deren Förderung sie schädlich sind, von der Hörgeschädigtenschule herunternehmen“.
Was die einen ärgert, freut die anderen. „Hier ist die Stimmung gut“, sagt Johannes Eitner, jetzt Schulleiter der Schule für Gehörlose und möglicherweise bald Schulleiter der neuen Schule, denn sein Kollege Thümler wird pensioniert. „Was die Deputation beschlossen hat, entspricht dem Beschluss unserer Schulkonferenz und wird hier mit großer Freude aufgenommen.“
Die ist allerdings getrübt, „weil die andere Schule es nicht so will“. Sorge bereitet die angekündigte Klage der Eltern, „das könnte die Zusammenlegung verzögern oder gar verhindern“, fürchtet Eitner.
Er denkt trotzdem weiter: „Ich wünsche mir in einem zweiten Schritt, dass sich die Schule auch für Schüler ohne sonderpädagogischen Bedarf öffnet“. Das könnte durch die Kooperation mit einer Regelschule geschehen, wie es die Schule für Schwerhörige mit der Heinrich-Wolgast-Schule geplant hatte. „Das könnte aber auch so aussehen, dass Hörgeschädigte und Hörende in einer Klasse unterrichtet werden“, kann sich Eitner vorstellen. Um den Eltern der hörenden Kinder das schmackhaft zu machen, könnte man beispielsweise nach Montessori-Pädagogik unterrichten. „Das wird in Berlin sehr erfolgreich praktiziert.“
Sandra Wilsdorf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen