Allein der gute Wille zählt

■ Während andere Grüne noch schwer mit sich ringen, findet Landesvorstandssprecher Klaus Möhle den „Atomkonsens“ O.K.

Gestern morgen hat ein Fernsehsender bei Klaus Möhle angerufen und ihn gefragt, ob die Bremer Grünen denn jetzt zum nächstgelegenen Atomkraftwerk fahren würden, um zu demonstrieren. „Nee“, hat der Brokdorf-Veteran da geantwortet. Warum auch: Für den Landesvorstandssprecher ist der so genannte Atom-Kompromiss zwischen Bundesregierung und Stromwirtschaft ein „historisch richtiger Schritt“. Kritik von Seiten der Anti-AKW-Bewegung hält er für ziemlich daneben, „die kriegt doch gar nichts mehr gebacken“.

Der Vereinbarung gemäß sollen die deutschen Atom-Meiler in der Regel 32 Jahre lang Strom produzieren. Den Ausschlag gibt allerdings die auf rund 2.600 Terawatt-stunden (=Milliarden Kilowatt) festgesetzte „Reststrommenge“. Diese können die Betreiber flexibel verteilen, so dass einzelne Kraftwerke auch länger als 32 Jahre laufen können.

Für die Anlagen im Nordwesten hat dies folgende Auswirkungen: Legt man eine Gesamtlaufzeit von 32 Jahren zu Grunde, müsste das AKW Esensham/Unterweser rein rechnerisch im Herbst 2010 stillgelegt werden (AKW Emsland/Lingen: April 2020, Kernkraftwerk Stade: Januar 2004) Sollten an der Unterweser aber bis 2010 die restlichen 117,98 Terawatt noch nicht ins Netz geschickt worden sein, darf man dort weiter Kerne spalten.

Während einige Landesverbände der Grünen den Kompromiss als „schmerzhaft“ empfanden, andere ihn wegen mangelnder Substanz ganz ablehnten, stellte sich der Bremer Sprecher auf die Seite der Befürworter – genau so wie die Kollegen von der SPD. Klar, der Schritt hätte ruhig ein bisschen größer sein können, so Möhle, „aber die Kräfteverhältnisse sind nicht so“. Für ihn zählt vor allem die Willensentscheidung, aus der Kernenergie auszusteigen. Indes: Dass sich die Verhandlungspartner nicht ein für alle Mal von Gorleben als potentiellem Endlager verabschiedet haben, findet auch der Grünen-Sprecher nicht in Ordnung. Den „Konsens“ insgesamt verbucht er jedoch als Erfolgsnummer – ohne grüne Regierungsbeteiligung wäre seiner Ansicht nach nie über einen Atomausstieg verhandelt worden.

Doch genau damit habe der Kompromiss nichts zu tun, kritisieren AtomkraftgenerInnen wie die Bremerin Helga Rinsky. „Die Grünen sind vor der Atomindustrie eingeknickt“, schimpft sie. Rinsky ist Mitglied des Arbeitskreises Wesermarsch und des Bremer Anti-Atom-Forums. Als Beleg für finstere Pläne der Industrie wertet sie die hohen Kapazitäten, die ihres Wissens bereits für mögliche Zwischenlager beantragt wurden: Das Kraftwerk an der Unterweser könnte damit noch 50 Jahre laufen.

Helga Rinsky beklagt überdies, dass heutzutage nur noch über betriebswirtschaftliche Aspekte gesprochen würde, und nicht mehr über die Bedrohung, die von den Kernkraftwerken ausgehe. Sie befürchtet sogar, dass den Kraftwerksbetreibern künftig Zugeständnisse in Sachen Sicherheit gemacht würden. Die Vereinbarung vom Donnerstag sieht vor, dass „die Bundesregierung den ungestörten Betrieb der Anlagen gewährleistet“. Insgesamt „eine riesige Enttäuschung“ für Rinsky.

Sonst noch jemand traurig? Die Bremer CDU vielleicht, die die Kernforschung ins Ausland abwandern sieht? Oder die Nachbarn in Niedersachsen? Dort gaben SPD-Regierung und Grüne die Unzufriedenen – wegen der Regelungen zur Atommüllentsorgung. Der BUND verzichtete vorsichtshalber auf eine Meinung. Und Konsens-Befürworter Möhle? Der ängstigte sich, dass ihm „die alten Demo-Kumpels“ den Kopf abreißen. hase

Siehe auch Seiten 1,3,4,5