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Das Rückflugticket ist abgelaufen

Damit sie in Deutschland heiraten kann, schickte die Ausländerbehörde eine 28-jährige Mutter zurück nach Ghana

Claudia ist fünfeinhalb Monate alt und hat gerade ihre ersten Zähne bekommen. Das tat vermutlich ziemlich weh - auf den Trost ihrer Mutter musste die kleine Bremerin jedoch verzichten. Der Grund: Emilie Sophia Tago sitzt seit Ende März in ihrer Heimat Ghana fest. Die 28-Jährige, die illegal in Bremen gelebt hatte, musste auf Weisung der Ausländerbehörde das Land verlassen - um in Bremen heiraten zu können. Doch jetzt erlaubt die deutsche Botschaft in Accra der Frau nicht, wieder nach Deutschland einzureisen, wo der Bremer Gerhard Magerkurth zusammen mit ihr eine Familie gründen will.

Dieser hält es für „menschenunwürdig“, was Mutter und Kind da angetan wird. Eigentlich habe man bereits am 8. Mai heiraten wollen, berichtet der 44-jährige Koch. Er hatte die junge Frau 1998 auf der Bremer Osterwiese kenngelernt. Doch erst nachdem die Schwangerschaft feststand, habe Emilie ihm gesagt, dass sie ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland sei. Gerhard Magerkurth ging - man höre und staune - zum Ausländeramt, um die ganze Sache zu regeln.

Das Ergebnis: Zwar wurde die Schwangere wegen ihres Zustands nicht sofort abgeschoben. Dann aber entschied die Ausländerbehörde, dass die junge Mutter nach Ghana ausreisen muß, um bei der deutschen Botschaft ein Einreisevisum zwecks Familienzusammenführung zu beantragen. Der daheimgebliebene Magerkurth erinnert sich, man habe ihm versichert, dass seine Freundin in Accra das Dokument ohne jede Verzögerung bekommen würde. Die kleine Claudia blieb in Deutschland - die Reise sollte ja nur wenige Tage dauern. Mittlerweile ist das Rückflugticket schon lange abgelaufen.

„Wir hatten keine andere Möglichkeit“, sagt der Leiter des auch für Ausländerangelegenheiten zuständigen Bremer Stadtamts, Hans-Jörg Wilkens. Die Rechtslage sei zwar schwer vermittelbar, aber man habe auf der Rückreise nach Ghana bestehen müssen. Sprich: Nur, wer legal nach Deutschland eingereist ist, darf hier auch in den heiligen Stand der Ehe treten. Und dagegen spricht aus Wilkens Sicht im aktuellen Fall rein gar nichts.

Die realitätsferne Vorschrift hat für ihn vor allem einen Sinn - die Wahrung der Staatsräson. Der Bremer Rechtsanwalt Wolfgang Schoofs, der die Afrikanerin vertritt, verweist allerdings darauf, dass eine „Härtefallregelung“ exis-tiert. Diese würde nur nie angewandt. Für Schoofs ist die Vorschrift „eine Farce“.

Doch auch wenn Mutter und Kind für längere Zeit voneinander getrennt werden, sind Ausnahmen offenbar nur bei bestimmten Ausländern erlaubt. Wilkens: Man habe sich da politisch auf einige Länder festgelegt, Frankreich zum Beispiel, Dänemark und Israel, aber auch südamerikanische Nationen. Für Ghana aber würde eine zwingende Visumspflicht bestehen. Der Amtsleiter findet die ganze Angelegenheit trotzdem „überhaupt nicht erfreulich“. Und - jetzt wird er widersprüchlich - hätte man von dem unmittelbar bevorstehenden Heiratstermin gewusst, wäre der Fall wahrscheinlich anders beurteilt worden.

Merkwürdig ist vor allem jedoch das Verhalten der deutschen Botschaft in Accra. Diese schickte Mitte Mai eine Mitteilung an Gerhard Magerkurth, die einen einzigen dürren Satz zur Erklärung bietet: Das Ergebnis der „Auswertung der Fingerabdrücke der Frau“ Tago liege noch nicht vor, der Antrag könne somit „noch nicht abschließend beschieden werden“.

Seitdem ist Funkstille, Anfragen des Anwalts und auch der taz blieben bisher unbeantwortet. Zwar gebe es tatsächlich in afrikanischen Ländern Probleme, die Identität von Antragstellern festzustellen, erklärt Anwalt Schoofs. Aber eine Wartezeit von mehreren Monaten - das sei nicht nachvollziehbar. Vielleicht will da auch nur ein wackerer Botschaftsbeamter eine potentielle Scheinehe sabotieren?

Gerhard Magerkurth, der seine Vaterschaft für Claudia offiziell anerkannt hat, bemüht sich unterdessen, das Kleinkind allein zu versorgen. Er ist sichtlich überfordert, und seine eigene Mutter kann sich um das Mädchen nicht mehr kümmern. Jetzt hat er einen Brief an „den Chef des Außenministeriums der BRD, Herrn Fischer“ geschrieben. Und wartet. hase

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