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Wenn unreifer Kakao gepflückt wird

Fälschten ZDF-Reporter ihren Film? Transfair-Verein versucht zu beweisen, dass ein „Frontal“-Bericht über Betrug im fairen Handel selber Schmu ist

KÖLN/WUPPERTAL taz ■ Die Transfair-Bewegung in Deutschland kämpft um ihren Ruf. Der Transfair-Verein lud eigens Mitarbeiter der ghanaischen Kleinbauernkooperative Kuapa Kokoo nach Köln, damit diese am Freitag in einer Pressekonferenz Vorwürfe des ZDF-Magazins „Frontal“ entkräften. In der Sendung am 16. Mai hatte „Frontal“ über die Kooperative berichtet: „Von dem vielen Geld des fairen Handels“ käme bei den 30.000 Kuapa-Kokoo-Kleinbauern „so gut wie nichts“ an, hieß es darin. Das Geld versickere vielmehr beim Transfair-Verein, der Siegel für fair gehandelte Produkte vergibt.

2.000 Kilometer weit sei das Fernseh-Team durch Ghana gereist, 50 Bauern in 12 Dörfern seien befragt worden, heißt es in dem „Frontal“-Bericht. Doch Kuapa-Geschäftsführer Ohemeng Tinyase K widerspricht: „Wenn das stimmt: Wieso tauchen in dem Film immer wieder dieselben beiden Bauern in verschiedenen Szenen auf?“, fragt der Ghanaer. „Und warum ernten sie unreife Kakao-Früchte?“

Nicht nur „gestellte Szenen“ kritisierte der Kuapa-Geschäftsführer, er setzt sich mit jeder einzelnen Szene des „Frontal“-Berichts auseinander. „Zahlt Kuapa mehr als andere?“, wird ein Bauer in einer Szene gefragt, und es entsteht der Eindruck, er sei Mitglied der Kooperative. „Nein, nein, es gibt nicht mehr, alle zahlen denselben Preis“, antwortet der Mann. An der Kontrollnummer der Kakaosäcke sei erkennbar, sagt Ohemeng Tinyase K, das die Szene nicht bei Kuapa, sondern in einem staatlichen Depot spiele.

„Nein, ich verkaufe nicht mehr an Kuapa, die zahlen auch nicht mehr“, übersetzt „Frontal“ die Aussage einer Bäuerin in einer anderen Szene. Es ist der zweite und letzte angebliche Beweis, dass die Kooperative-Bauern nur den normalen Weltmarktpreis erhielten. Doch der Kuapa-Geschäftsführer bemängelt die Übersetzung: „Die Bäuerin hat lediglich gesagt: ,Ich verkaufe nicht an Kuapa, sondern an den Staat.`“ Sein Fazit: Der Bericht sei „unseriös“.

Die „Frontal“-Vorwürfe treffen die deutsche Transfair-Bewegung in einer schwierigen Situation: Sie musste 1999 Umsatzrückgänge von 20 Prozent verkraften und versucht, mit Produkten wie Orangensaft, Solarradios und Bällen wieder in die Offensive zu kommen. „Der ,Frontal‘-Bericht hat zu einem schwer einholbaren Glaubwürdigkeitsverlust geführt“, beklagt Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath. Es seien deutliche Absatzrückgänge feststellbar bei Kaffee, dem Hauptprodukt des fairen Handels. So traten die Kuapa-Leute an diesem Wochenende gleich noch einmal gegen „Frontal“ auf, beim 3. Deutschen Fair-Trade-Kongress in Wuppertal.

Am Mittwoch wird das Amtsgericht Köln über eine Unterlassungsklage von Transfair entscheiden, die zum Inhalt hat, dass „Frontal“ die erhobenen Vorwürfe nicht weiter verbreiten darf. Auch das ZDF-Justiziat hatte „gerichtliche Schritte“ angedroht: Der Transfair-Verein sollte sich per Unterlassungserklärung verpflichten, den Vorwürfen des ZDF nicht länger zu widersprechen. Das Ultimatum verstrich vor vier Wochen – ohne Folgen. MARCUS MEIER

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