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Atomkompromiss mit wenig Risiko

Bundesrat kann Gesetzesnovelle von Rot-Grün kaum stoppen. Die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) und Roland Koch (CDU) haben wenig Druckmittel in der Hand. Deshalb versuchen die Unionsländer, schon eine neue Drohkulisse aufzubauen

von CHRISTIAN RATH

„Wenn das Atomgesetz ohne Zustimmung des Bundesrats geändert wird, werden wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.“ So drohte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sofort nach Bekanntwerden der Konsensvereinbarung, sein hessischer Kollege Roland Koch (CDU) schloss sich an. Weil Rot-Grün im Bundesrat schon lange keine Mehrheit mehr hat, hoffen die CDU-Länder, hier den Atomausstieg noch blockieren zu können. Doch ist die Atomgesetz-Novelle wirklich zustimmungspflichtig? In den letzten Monaten wurden vier Punkte diskutiert, die zeigen, dass Koch und Stoiber eher bluffen:

1. Die Rücknahme der Genehmigung: Die Atomkraftwerke haben bislang eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Wenn diese wieder entzogen werden soll, so die Überlegung der Südländer, müssten die jeweiligen Landesbehörden tätig werden. Nach bayerischer Ansicht wäre dies ein neues Verwaltungsverfahren, das die Atomnovelle zustimmungspflichtig machen würde. Laut Konsensvereinbarung sollen die Betriebsgenehmigungen jedoch ohne weiteren Verwaltungsakt auslaufen, sobald ein AKW die festgelegte Reststrommenge produziert hat. Eine entsprechende Regelung im Atomgesetz würde demnach genügen.

2. Die Berechnung der Reststrommenge: Auch bei der Überwachung der Restlaufzeiten will und kann Rot-Grün auf die Mithilfe von Landesbehörden verzichten. Nach der Konsensvereinbarung soll diese Aufgabe dem Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter übertragen werden. Wenn aber eine Bundesbehörde neue Aufgaben erhält, muss die Länderkammer nicht zustimmen.

3. Die Entsorgungsfrage: Auch aus der neuen Entsorgungsstrategie wollen die Unionsländer eine Zustimmungspflicht des Bundesrats ableiten. Tatsächlich wurden die bisherigen Entsorgungsgrundsätze 1979 in einer Vereinbarung von Bund und Ländern ausgehandelt. Diese hat allerdings keinen Rechtscharakter und bindet den Bund daher nicht. Auf Nachfrage räumte auch das bayerische Umweltministerium ein, dass die Entsorgungs-Argumentation vor allem politischen Charakter habe.

4. Das übersehene Detail: Wohl am erfolgversprechendsten ist die Überlegung, dass der Atomausstieg an irgendeinem bisher noch nicht erkannten Punkt doch eine Änderung von Verwaltungsverfahren in den Ländern erfordert. Präzedenzfall hierfür ist das rot-grüne Gesetz über erneuerbare Energien. Auch dieses sollte ohne Zustimmung des Bundesrats auskommen, letztlich musste aber doch der Segen der Länderkammer eingeholt werden – im Rahmen einer harmlosen Streitschlichtungsklausel war auch ein Landesrichter eingebunden worden. Wo allerdings die Union konkret einhaken könnte, kann erst geklärt werden, wenn ein ausformulierter Gesetzentwurf vorliegt.

Unter dem Strich ist die Position der Union also nicht allzu günstig. Vermutlich wird es Rot-Grün gelingen, das Gesetz zustimmungsfrei zu konstruieren. Die Union hat deshalb bereits begonnen, eine zweite Drohkulisse aufzubauen: Bei der Genehmigung der dezentralen Zwischenlager sollten sich Länderbehörden querstellen. Doch auch diese Strategie hat Haken. So erfolgt der atomrechtliche Teil der Genehmigung wiederum durch das Bundesamt für Strahlenschutz, hier haben die Länder gar nichts mitzureden. Diese können nur wasser- und baurechtliche Fragen prüfen, dürften allerdings bei einer allzu dreisten Verzögerungstaktik die AKW-Betreiber verärgern. Schließlich haben diese an den neuen Zwischenlagern ein Interesse, weil so Castor-Transporte vermieden werden können. Spürbar würde eine Blockadehaltung von Länderseite ohnehin erst recht spät, denn das Bundesamt in Salzgitter benötigt selbst noch „mehrere Jahre“ für seine Prüfung.

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