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Für Gaststudis gilt: Examen in der Tasche, raus aus dem Land

Die Regierung lockt IT-Experten per Green Card ins Land. Doch für außereuropäische Studierende gilt weiter Anwerbestopp. Eine Reform der Bildungsministerin lässt auf sich warten

BERLIN taz ■ Kennen Sie denn keinen netten Deutschen, fragte der Anwalt in der Rechtsberatung augenzwinkernd, der vielleicht in Frage käme? Das unmoralische Angebot überraschte Ibtisam Satti nicht: „Das mit dem Heiraten kommt jetzt immer“, seufzt die 29-jährige Medizinstudentin, „nicht nur beim Anwalt.“ Und nicht ohne Grund. Satti, die laut Pass Sudanesin ist, studiert in München – mit Erfolg. Doch die Belohnung dafür sind Heiratsanträge. Denn wenn sie im Herbst das Studium als Ärztin abgeschlossen haben wird, bleiben ihr nur zwei Perspektiven: Heiraten oder Rausfliegen.

Studenten aus nichteuropäischen Staaten fallen nämlich weiter unter einen „Anwerbestopp“. Nur für Informatik-Studierende wurde die Regelung mit der neuen Green-Card-Verordnung gelockert. Ansonsten gilt für Ausländer, die hier ein Studium abschließen: keine Arbeitserlaubnis, kein Visum – Aufforderung zur Ausreise binnen weniger Tage. Seit Jahren kritisieren deutsche Personalchefs die Regelung als antiquiert. Studentenverbände werden nicht müde, sie diskriminierend zu nennen. Erst im März, die Green Card war gerade großes Medienthema, kündigte Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) auf der Hannover-Messe eine Kurskorrektur an: Ausländer sollten mindestens zwei Jahre nach einem erfolgreichem Studium in Deutschland arbeiten dürfen.

Diesen Plan unterstützt ein eigener Beauftragter der Bundesregierung für internationales Hochschulmarketing. Max Huber meint, es sei höchste Zeit, dass einige Jahre Berufserfahrung als Teil der Studienförderung begriffen würden. Für Huber, den Vizepräsidenten des Akademischen Austauschdienstes, wäre die Reform für hiesige Unis „international ein wichtiger Pluspunkt“. Anderswo ist das Aufenthaltsrecht längst Standard – zum Beispiel in den USA.

„Die Reform sieht erst mal gut aus“, sagt Nathalie Schlenzka, Wissenschaftlerin am Europäischen Migrationszentrum in Berlin. Erst mal. Dass die befristete Arbeitserlaubnis im internationalen Studi-Wettbewerb Vorteile bringt, glaubt sie nicht. Schlenzka prophezeit: Die Behörden werden alles versuchen, um all jene der knapp 10.000 ausländischen Absolventen, die nicht zufällig diplomierte Informatiker sind oder aus EU-Staaten kommen, vom deutschen Arbeitsmarkt fern zu halten.

Auch Klaus von Trotha (CDU), Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg, kritisiert die „extrem schwierige Situation mit den Ausländerbehörden“. Trotha ist zugleich ein Sinnbild dafür, wie schwerfällig die deutsche Politik ist. Vor Jahren bat der CDU-Mann seinen Parteifreund, den damaligen Innenminister Manfred Kanther, die rigide Haltung gegenüber Gaststudenten zu lockern. Irgendwann wunderte er sich, so plaudert von Trotha heute, dass Kanther gar nichts unternommen hätte. Stimmt nicht – der Law-and-Order-Mann versuchte 1997, die Aufenthaltsbedingungen noch zu verschärfen.

Attraktiver würde der Studienstandort Deutschland nur, wenn sich Studien- und Lebensumstände für ausländische Studenten verbessern, glaubt Kambiz Ghawami vom World University Service in Wiesbaden. Schon während des Studiums sei Arbeit das zentrale Thema für viele Studenten aus ärmeren Ländern. Wie Migrationsforscherin Schlenzka vertritt Ghawami deshalb eine Forderung, die weit über Bulmahns Ideen hinausgeht: Deutsche und ausländische Studenten sollen auf dem deutschen Arbeitsmarkt rechtlich gleichgestellt werden.

Auch die Wirtschaft stört sich am restriktiven Ausländerrecht. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) plädiert seit Monaten für liberalere Regelungen. Eine Green Card für Studenten müsse her, um den Absolventenmangel zu lindern. „Da müssen noch Festungen fallen“, dämpft VDMA-Sprecherin Sylke Becker die Hoffnungen auf eine schnelle Umsetzung des Bulmahnschen Konzepts. Aber Bulmahns Ministerium scheint überfordert. Seit Monaten versucht eine interministerielle Arbeitsgruppe, mit einer befristeten Arbeitserlaubnis für erfolgreiche ausländische Studenten den Studienstandort attraktiver zu machen – vergeblich. Bulmahns AG tagt seit Herbst ohne vorzeigbares Ergebnis. Schlechte Aussichten für Ibtisam Satti?

Für die Studentin wäre die Ausweisung ein Albtraum. Satti, die seit 1989 in München lebt, kam in der Nähe von Esslingen zur Welt. Dort lebte sie sechs Jahre. Erst später zog sie mit den Eltern nach Saudi-Arabien. Da würde sie auch als Ärztin arbeiten. Aber ohne Facharztausbildung sieht sie keine Chance: „Auch Saudi-Arabien will fertig ausgebildete Leute, ich habe ja null Praxis.“

Deshalb versteht Ibtisam Satti die deutsche Rauswurf-Politik nicht. Sie möchte Bayern erst verlassen, wenn sie „g’scheit ausgebildet“ ist. „Wenn ich aber ohne meine Facharztausbildung gehen muss, habe ich nicht erreicht, was ich wollte.“

ASTRID GEISLER

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