: VW beißt Kunsthochschule
Die Volkswagen-Bank streicht der Kunsthochschule Braunschweig alle Sponsorengelder und kippt damit alle Projekte – weil VW-Vorstandschef Piëch in einer Ausstellung zitiert und abgebildet wird. Auch Bundeskanzler Schröder wurde ausgeladen
von ANTJE HEINRICH
Wer in Niedersachsen Kunst studieren will, muss nach Braunschweig gehen. Bis zur vergangenen Woche wurde die ortsansässige Hochschule für Bildende Künste (HBK) freigiebig gesponsert von der Volkswagen-Bank, die ebenfalls vor Ort sitzt. Nun ist alles anders: Die VW-Bank wendet sich offiziell „ohne Begründung“ von der Kunstförderung ab.
Eine für Berlin konzipierte Ausstellung von HBK-Studierenden namens „submarining“ im Automobil-Forum Unter den Linden wurde zwei Wochen vor Eröffnung gestoppt. Die „Volkswagen-Bank storniert alle mit der Hochschule geplanten Projekte“, sagt Hochschulsprecherin Christiane Preißler. „Wir werden abgestraft“, so Hochschulpräsident Professor Michael Schwarz. VW zensiert die freie Kunst? Die Anfrage der taz bei der VW-Bank in Braunschweig bleibt unbeantwortet: „Bis Freitag ist niemand zu sprechen.“ Bei der Anfrage bei VW Wolfsburg heißt es: „Kein Kommentar!“ Theater, Theater!
Genau dort, nämlich im 2. Rang des Staatstheaters von Braunschweig, findet sich der Auslöser dieser Posse. Dort präsentieren seit dem 6. Juni der HBK-Absolvent und jetzt Freischaffende Henrik Freiberg und Meisterschüler Chul-Young Choe ihre Werke. Eigentlich eine kleine Ausstellung, finanziert mit Landesmitteln, offizieller Sponsor: die Brauerei Feldschlößchen. Zu sehen sind fünf 2 mal 1 Meter große Siebdrucke mit dem Gesicht von VW-Chef Ferdinand Piëch. Aus drei integrierten Autoradios tönt verzerrt die Stimme des VW-Bosses. Wer nah rangeht, entnimmt dem Stimmengewirr den Piëch-O-Ton: „ ... immer wenn es um Krieg geht, sind am Ende weniger vorhanden, und es gibt immer Gewinner und Verlierer, und ich habe die Absicht, mit unseren Partnern, die VW in der gesamten Welt hat, der Sieger zu sein.“
Für dieses rüde Statement wurde der VW-Chef schon vor Jahren medial gegeißelt. VW sieht sich offensichtlich nicht gern erinnert, wie der eigene Chef Autoverkauf mit Krieg gleichsetzt. Aber: Die HBK war laut Künstler Freiberg „nur administrativ zuständig“ und nicht für den Inhalt der Ausstellung, denn die wurde extern kuratiert. Und trotzdem kam es zum Eklat. Künstler Freiberg findet die Reaktionen in höchstem Maße „hysterisch und ärgerlich“, auch weil die Installation seine zwei Jahre alte Diplomarbeit ist und unbehelligt in Berlin gezeigt wurde. Braunschweig ist eben näher an Wolfsburg, da gucken die VW-Leute genauer hin.
Noch gibt es keinerlei Gespräche zwischen VW-Bank und Hochschule. Rektor Schwarz äußert sich jedoch verhalten optimistisch. Für ihn müssen bei der VW-Bank offenbar Köpfe rollen, denn „die Freiheit der Kunst steht auf dem Spiel“. „Mit personellen Veränderungen ändert sich die Firmenpolitik“, sagte er gestern gegenüber der taz.
„Die HBK muss ihre Geschäftspolitik ändern“, verlangt ein VW-Sprecher, der namentlich nicht genannt werden will, gegenüber der taz. Und meint damit, VW wäre von der Hochschule diskreditiert worden. „Wir sind keine Gehilfen der Wirtschaft“, kommentiert Rektor Schwarz und spielt auf das Sprichwort „Beiß nicht die Hand, die dich füttert“ an. „Nicht die HBK beißt, sondern die Kunst.“
Richtig sauer sind die Leidtragenden des Verwirrspiels. Die 15 Künstler von „submarining“ haben drei Monate Arbeit und jede Menge Geld in ihre Projekte investiert. „Wir sind super angekotzt“, so Student Andreas Zech. „Das erinnert mich an ganz finstere Zeiten.“ Traurig wird auch Kunstfreund und Kanzler Gerhard Schröder sein. Der wollte die Ausstellung in Berlin eigentlich eröffnen. Die VW-Bank hat ihm abgesagt.
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