Projekt X: „Vorhölle zur Abschiebung“

■ Niedersächsisches Modellprojekt bereitet Abschiebung vor

Oldenburg – Rund 150 Demonstranten haben jetzt in Oldenburg von der Bezirksregierung gefordert, das „Projekt X“, das die Abschiebung von Flüchtlingen ohne gültige Papiere vorbereitet, abzuschaffen. Zudem wurden unmenschliche Bedingungen für Flüchtlinge im Lager Blankenburg und Zwangsmaßnahmen durch das Asylbewerberleistungsgesetz kritisiert.

Die Demonstration war Teil einer antirassistischen Aktionswoche, die in dieser Woche in Oldenburg und Braunschweig stattfand. Hintergrund ist das so genannte Projekt X, das seit April 1998 in den Zentralen Anlaufstellen für Asylbewerber (ZASten) in Oldenburg und Braunschweig durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um ein niedersächsisches Modellprojekt, um „das Verfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Beschaffung von Heimreisepapieren zu verbessern“, wie es im Erlass des Innenministeriums vom Februar 1998 heißt. Konkret bedeutet dies, dass Flüchtlinge ohne oder ohne gültige Papiere interniert und unter Druck gesetzt werden, bis sie ihre Identität preisgeben oder eine Botschaft sie als Bürger ihres Landes ausweist. Die lokalen Ausländerbehörden müssen dabei die „Zulieferer“ spielen und den jeweiligen Bezirksregierungen die betreffenden Personen melden. Die betroffenen Flüchtlinge erhalten dann eine so genannte „Wohnsitzauflage“ – sie müssen sich sofort im Lager einfinden.

Im Lager selbst sind die Flüchtlinge verschiedenen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. So müssen sie sich zweimal in der Woche einem Verhör unterziehen. Dieses dauert bis zu zwei Stunden an. Es werden Fragen zur Geographie, Geschichte und Politik des angegebenen Herkunftlandes gestellt. Doch den Fragen sind dabei keine Grenzen gesetzt. „Ein Flüchtling berichtete, er wurde über die Sexualpraktiken seiner Eltern befragt“, sagt Helge Jacobson von der Initiative für offene Grenzen in Oldenburg.

Darüber hinaus werden den Flüchtlingen die sozialen Leistungen auf „das unabweisbare Maß“ gekürzt. Im Lager erhalten sie üblicherweise alle zwei Wochen 37 Mark Taschengeld sowie 30 Mark als Kleidergutschein. Im Projekt X Internierte bekommen nur noch ein Bett und drei Mahlzeiten pro Tag. „Damit sind die Betroffenen zu totaler Passivität verdammt“, meint Jacobson erbost. „Kein Geld für den Bus, für Konsum und erst recht nicht für einen Anwalt. Das Lager wird so zu einem Gefängnis mit erweitertem Bewegungsradius, eine Vorhölle zur Abschiebung“, sagt Jacobson.

Eine andere Perspektive bleibt den Betroffenen auch nicht. Das macht das Innenministerium in einem Brief an den Bremer Menschenrechtsverein deutlich: „Der Aufenthalt in der Einrichtung ist unbefristet und kann grundsätzlich nur durch eine Rückführung beendet werden.“ Manche Flüchtlinge haben deshalb schon Jahre im Lager Blankenburg verbracht, sagt Jacobson. Ein im Projekt X in Braunschweig internierter Flüchtling schrieb dazu: „Jeden Tag essen, schlafen gehen, essen, schlafen, Monate lang, Jahre lang, das ist doch kein Leben. Das ist der Tod auf Raten!“

Andreas Buron