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Die Umstrittene

Rita Süssmuth soll Vorsitzende der unabhängigen Kommission zur Einwanderung werden. Das nutzt weder der Sache noch der CDU

Es war lange Zeit ruhig um Rita Süssmuth. Zunächst wurde sie, im Oktober 1998, von ihrer Partei kaltgestellt. Damals beugte sie sich dem Druck zur Verjüngung und verzichtete auf eine Kandidatur für das CDU-Präsidium. Nun aber könnte die 63-Jährige unverhofft wieder ins Rampenlicht gelangen – wenn sie, wie am Wochenende Welt am Sonntag und Spiegel meldeten, zur Vorsitzenden der Einwanderungskommission ernannt wird.

Ob Bundesinnenminister Otto Schily sich und ihr mit der Berufung einen Dienst erweist, ist allerdings fraglich. Die Kommission soll ja gerade das leisten, was Rot-Grün in dieser heiklen Frage nicht gelingt: eine über die Parteien hinausreichende Verständigung darüber herzustellen, ob und wie viel Zuwanderung notwendig ist. Nur: In der Union ist Süssmuth selbst höchst umstritten, wie die Reaktion des brandenburgischen Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm illustriert: Der vermeintlich kluge Schachzug werde der Regierung „nicht helfen, Konsens herzustellen“.

Sollte Süssmuth zusagen, würde sie auch mit der neuen Partei- und Fraktionsführung quer liegen. Denn ausgerechnet in der Einwanderungskommission wollen CDU/CSU nicht mitarbeiten – aus Angst, wieder einmal von der Regierung vereinnahmt zu werden. Streit um ihre Person dürfte Süssmuth aber kaum stören. Daran war sie gewöhnt – ob als erste Frauenministerin Deutschlands oder später als Bundestagspräsidentin. Sie kämpfte gegen eine restriktive Aids- und Drogenpolitik, verteidigte beim Abtreibungsrecht den kassenärztlichen Schutz und verlangte die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Kurzum: Süssmuth war vielen Konservativen eine schwer erträgliche Zumutung. Außerhalb der Partei kam die frühere Professorin für Erziehungsfragen mit ihrer Haltung weitaus besser an. Unter Kohl war sie eine der beliebtesten Politikerinnen im Lande. Das machte sie angreifbar. 1997 dann wurde, unter tatkräftiger Mithilfe des Springer Verlags, jene Flugaffäre ausgebreitet, in der ihr die Benutzung von Bundeswehrmaschinen zu Privatzwecken vorgehalten wurde.

Die Kampagne von damals ist noch heute in vielen Köpfen. So steht Süssmuths Berufung an die Spitze der Kommission unter keinem guten Stern. Das unterscheidet ihren Fall von der Berufung des Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Sein Renommee war für die von ihm angeführte Bundeswehr-Kommission von Nutzen. Sein angesehener Name brachte den Diskurs dorthin, wo er erwünscht war: in die Öffentlichkeit.

SEVERIN WEILAND

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