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Urinproben frieren für die Moral

Jacques de Ceaurriz, Leiter des Pariser Doping-Labors, das den neuen EPO-Nachweis entwickelte, prophezeit eine Wende im Sport und das Ende des kollektiven EPO-Missbrauchs, rechnet aber weiter mit „individuellen Entgleisungen“

PARIS dpa ■ „Der kollektive, abgestimmte Gebrauch von EPO dürfte im Sport der Vergangenheit angehören – auch wenn es wohl weiterhin individuelle Entgleisungen geben wird.“ Jacques de Ceaurriz (51) ist sicher, dass der von seinem Labor entwickelte Anti-Doping-Test eine Zäsur darstellt. Für die am 1. Juli startende Tour de France sieht er die Gefahr einer allgemeinen Anwendung des als Blutdoping-Mittels Erythropoietin (EPO) gebannt. „Es wird zwar keine brüske 180-Grad-Kurve, aber doch eine Wende geben“, ist der Chef des nationalen Anti-Doping-Labors in Chateny-Malabry überzeugt.

Der neue, weltweit einmalige Urintest erlaubt die Unterscheidung zwischen körpereigenem und synthetisch hergestellten EPO-Hormonen. Bisher war über Blutkontrollen nur ein Annäherungswert gefunden worden. Die Nachfrage nach dem Test, den de Ceaurriz’ Team in zweijähriger Forschungsarbeit entwickelte, ist so gewaltig, dass das Labor seine Fläche von 750 Quadratmeter demnächst ebenso wie die Zahl der zurzeit 24 Mitarbeiter aufstocken wird. „Das Problem liegt darin, dass diese Tests nur schwer zu automatisieren sind. Wir sind gegenüber der Analyse von anfangs 20 Proben pro Woche mittlerweile bei 120 angelangt – zwei Personen sind damit vollauf beschäftigt“, sagt de Ceaurriz.

Momentan ist sein Labor eher internationale Ausbildungsstätte: „Wir wollen zunächst Mitarbeiter von zwei bis drei weiteren Laboratorien ausbilden, die dann wiederum die anderen vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zugelassenen Einrichtungen anlernen sollen.“

Auf jährlich rund 9.000 Analysen kommt das zu 75 Prozent vom Staat finanzierte Labor, das de Ceaurriz seit 1989 leitet – den Rest von umgerechnet 4,5 Millionen Mark steuern öffentliche Einrichtungen zum Budge bei.

Den wissenschaftlichen Durchbruch brachte der von seiner Mitarbeiterin Françoise Lasne entwickelte Nachweis von künstlichem EPO in Urinproben. „Wir waren weltweit die einzigen, die diesen originellen Weg gewählt hatten, die anderen hatten sich auf Bluttests konzentriert“, sagt der Professor. Betrübt darüber, dass der Test trotz aller Bemühungen nun doch nicht seine Premiere bei der Tour de France haben wird, ist er nicht: „Nein, das ist normal. Außerdem steht die Wissenschaft der Methode sehr positiv gegenüber. Es ist eher eine Art juristische Vorsorgemaßnahme: Man will auch vor diesem Hintergrund alles hieb- und stichfest haben.“ Momentan ist geplant, die Urinproben der Radprofis einzufrieren und dann im Oktober zu testen.

Am positiven Ausgang der Entscheidung des IOC Ende Juli zum Einsatz der EPO-Tests bei den Olympischen Spielen in Sydney hat er daher auch kaum Zweifel. In der Zwischenzeit konzentriert sich de Ceaurriz bereits auf die Dopingmittel der Zukunft – vor allem genveränderte Produkte, deren Nachweis noch schwieriger werden dürfte.

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