: Die Japaner melden sich zurück
Seit klar wurde, dass der Bund 114.000 Eisenbahnerwohnungen doch verkaufen darf, wähnte das deutsche Bieterkonsortium den Vertrag schon in der Tasche. Nun gibt es neue alte Interessenten. Und die machen sich mit sozialen Zusicherungen attraktiv
von KATHARINA KOUFEN
Die japanische Bank Nomura will sich erneut um den Kauf der bundeseigenen Eisenbahnerwohnungen bewerben. Um ihre Chancen zu erhöhen, untermauern die Japaner ihr Angebot mit sozialen Zusicherungen wie einem lebenslangen Wohnrecht für Mieter und dem Verzicht auf Luxussanierungen. Das berichtet der Spiegel. Letzten Mittwoch hatte das Bundesverwaltungsgericht den umstrittenen Verkauf der rund 114.000 Wohnungen genehmigt. Damit entschieden die Richter gegen die Eisenbahngewerkschaft Transnet und den Hauptvorstand des Bundeseisenbahnvermögens, die gegen den Verkauf geklagt hatten.
Für Nomura ist dies der zweite Versuch: 1998, als die christlich-liberale Regierung die Privatisierung der Wohnungen beschloss, boten die Japaner 8,1 Milliarden Mark. Doch den Zuschlag erhielt ein Bieterkonsortium deutscher Wohnungsgesellschaften, obwohl es nur 7,1, Milliarden Mark zu zahlen bereit war.
Warum das so war, wird derzeit von dem Untersuchungsausschuss zu den Spendenaffären geklärt. Womöglich wurde der Zuschlag als Gegenleistung für eine Millionenspende vergeben, die das Ehepaar Ehlerding 1998 an die CDU zahlte. Den Ehlerdings gehören zwei Drittel des Immobilienkonzerns VCM, der am deutschen Bieterkonsortium beteiligt ist. Ex-Kanzler Kohls Begründung: Er sei „strikt dagegen“ gewesen, „dass eine japanische Gruppe die Wohnungen deutscher Eisenbahner kauft“.
Ob die Regierung nur mit den beiden Interessenten verhandelt oder die Wohnungen neu ausschreibt, ist noch nicht klar. Während das Bieterkonsortium den Kaufvertrag schon in der Tasche wähnt, fordern die Grünen eine Neuausschreibung. Nur so könne der Bund die höchstmöglichen Einnahmen erzielen, sagte ein Sprecher. Unterstützung erhalten die Grünen von EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Der hatte Anfgang des Jahres sein Veto gegen den Verlauf der Ausschreibung eingelegt: Er witterte eine „unerlaubte verdeckte Beihilfe“ für die deutschen Interessenten.
Auch Transnet-Chef Norbert Hansen hält den Deal für Kungelei: „Ich habe den Eindruck, dass sich da jemand bereichern will.“ Im Durchschnitt biete das Konsortium 1.000 Mark pro Quadratmeter Wohnung. Für eine Dreizimmerwohnung wären das rund 70.000 Mark – ein feines Schnäppchen: In Städten wie Köln oder Frankfurt kosten vergleichbare Wohnungen mindestens das Dreifache.
Die Gewerkschaft ist vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts enttäuscht. Bis zuletzt hatte sie gehofft, den Verkauf in eine Mieterprivatisierung umwandeln zu können. Dabei hätten die Mieter selbst in ihre Wohnungen investieren können.
Nun fürchtet Hansen um „die betrieblichen Sozialleistungen“ der Bahn. Obwohl die Mieten auch nach dem Verkauf zunächst um höchstens 1,5 Prozent pro Jahr „im Rahmen des ortsüblichen Mietspiegels“ steigen dürften, sei der Schutz der Mieter langfristig nicht gewährleistet.
Damit widerspräche der Verkauf aber der Bahnreform, in der der Bund 1994 diese „unumstrittene Leistung des Unternehmens“ festschrieb. Eisenbahnerwohnungen wurden erstmals vor 150 Jahren für die schlecht verdienenden Angestellten gebaut. Noch heute bewegen sich die Mieten am unteren Rande des Mietspiegels. Zwei von drei Wohnungen werden heute noch von Eisenbahnern bewohnt.
Wenn sich am Verkaufspreis von 7,1 Miliarden Mark nichts ändert, bleiben der Bundesregierung nach dem Abzug diverserer Verbindlichkeiten noch rund 4 Milliarden Mark – die genauen Angaben hierüber gehen auseinander. Auf dem Papier ist das Geld ohnehin längst von Kohl & Co ausgegeben worden: Dessen Finanzminster Theo Waigel (CSU) hatte den Verkauf der Eisenbahnerwohnungen bereits unter „Einnahmen“ im Haushalt verbucht – eine Praxis, so Hansen, „die jeden Unternehmer seinen Job kosten würde“. Über das tatsächliche Geld darf sich nun Nachfolger Hans Eichel (SPD) freuen: 1,15 Milliarden Mark sollen in das Schienennetz der Bahn investiert werden. Den Rest will der Finanzminister zur Schuldentilgung verwenden.
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