Es gibt auch gute Hunde

■ Tag eins der neuen Kampfhunde-Verordnung: Sie werden ausgesetzt und angezeigt. Jetzt setzt der Rollback ein: Es gibt auch gute Hund-Erfahrung, erinnern Tierschützer

Es ist zum Winseln und Wimmern: Neue Werte hat das Land. Gut und Böse ist nicht mehr gefragt. Jetzt verläuft die politisch korrekte Trennlinie in Hundebesitzer und Nicht-Hundebesitzer. „Die Nation ist gespalten“, knurrt Tierheim-Chef Wolfgang Apel: Pro und Kontra Köter.

Seit anderthalb Wochen schwappt die Kampfhundwelle ins Tierheim, Stadtamt, Innenressort und Presseohr: Anzeigen, Hunde-Denunziation, besorgte Nachfragen. Niedersachen hat inzwischen Haltung und Zuchtverbot für drei Rassen, Maulkorb- und Leinenzwang für weitere elf Kampfköter durchgesetzt. In Bremen gilt seit gestern Maulkorb- und Leine-Zwang für zehn Kampfhund-Sorten.

Und das hat Folgen: „Jeder der einen großen Hund hat, gilt unter Nachbarn inzwischen als suspekt“, so die Erfahrung im Tierheim. Also quasi alles vom Pudelblick aufwärts. Ein Leser verlangt konzertierte Medienaktionen – „bis der letzte Kampfhund ausgerottet ist“. Und im Zoofachgeschäft will man in Maulkorbfragen mit keinem Medienvertreter sprechen. Die Phase der Hysterie sei bald erreicht, klagt selbst das Innenressort.

„Wir sitzen auf einem Pulverfass“, jammert Apel und kann keine Nacht mehr ruhig schlafen: 24 Kampfhunde – mehr kann das Tierheim nicht aufnehmen. Und nicht mehr loswerden. „Die sind nicht vermittelbar.“ Ein Sorgentelefon hat Apel inzwischen eingerichtet. Hier dürfen Hundebesitzer sich Luft machen vom neuen Ärger mit den Nachbarn. Schließlich soll sogar der Mieterbund kürzlich die Zähne gebleckt und Kündigungen für Kampfrassenhalter gefordert haben, schimpft Apel. Seine Parole an die Hundebesitzer: „Haltet durch“. Heutzutage muss man an schöne Hunde-Erlebnisse erinnern.

Im Stadtamt sind derzeit fünf Mitarbeiter „aufgrund der akuten Situation“ für den Kampfhund-Einsatz freigestellt. Hundehalter, Nachbarn der Hundehalter und besorgte Eltern fragen nach: Wie ist das mit der Erlaubnis, mit Maulkörben undsoweiter. Der Druck der Bevölkerung sei enorm, meint der stellvertretende Amtsleiter Joachim Becker. Rund 400 Kampfhunde schätzt man im Stadtgebiet – Arbeit für mindestens noch ein Jahr.

24 Kampfhunde sitzen im Tierheim. Für weitere ist kein Platz. 30 Abgabewilligen hat Apel inzwischen absagen müssen. „Man kann einen Hund doch nicht einfach wegwerfen“, klagt er. Die Erfahrung lehrt: Man kann doch. Gemeinsam mit dem Innenressort will man deshalb „Lösungsmodelle finden.“ In Zukunft soll in Niedersachsen eine Tierpension für herrenlose Kampfhunde aus Bremen zur Verfügung stehen, berichtet Becker. Nicht mehr als eine „Übergangslösung“. Denn wer zahlt schon dauerhaft Pension für unerwünschte gefährliche Tiere. Hunde mit Beißregister dürften mit dem Amtsveterinär und gezückter Giftspritze rechnen.

Im Zoofachgeschäft hat man derzeit andere Sorgen: die nächste Maulkorblieferung. Mit einem solchen Andrang nach dem neuen Gesetz hatte man offensichtlich nicht gerechnet: Mancherorts sind die Nylon-, Leder-, Gittergeflechte ausverkauft. „Freitag kommen neue“, heißt es.

Die Polizei – seit gestern in „verstärkter Alarmbereitschaft“ – ging erstmalig auf Hunde-Streife. Das Resultat: Erstaunlich wenig Kampfhunde auf der Straße. Das mag an nicht-verfügbaren Maulkörben gelegen haben. Ganze zwei Fälle wurden jedenfalls ermittelt: Ein Kampfhund in der Fußgängerzone – ohne Maulkorb. Allerdings nur für fünf Minuten Mittagessen. Dann war der Maulkorb wieder dran. Schließlich war da noch ein Findelkampfhündchen. Ganz klein und jung und ausgesetzt, das jetzt den Weg in die Hundepension antreten darf.

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Fotos aus: Hunde. Von Tetsu Yamazaki und Toyoharu Kojima.