: Händlern wird der Preis zu heiß
Für die Verbraucher sind Lebensmittel rekordverdächtig billig. Aber die Branche ächzt, stöhnt, macht immer mehr Läden dicht und gibt den Druck weiter an die Produzenten. Metro-Chef Körber fordert mehr Fantasie gegenüber der Kundschaft
von BEATE WILLMS
Nur sieben Wochen lagen zwischen der Bilanz-Pressekonferenz und der Hauptversammlung der Kölner Metro AG. Und selten musste ein Chef seine Einschätzung der Branchenentwicklung binnen so kurzer Zeit so gründlich revidieren wie der Vorstandssprecher Hans-Joachim Körber. Ende Mai hatte er sich noch zufrieden zurückgelehnt, in einem Nebensatz erklärt, der Preiskampf im Lebensmittelhandel habe seinen Zenit bereits im Herbst vergangenen Jahres überschritten, und war dann zu den Internetaktivitäten und Auslandsstrategien seines Unternehmens übergegangen. Nach der erneuten radikalen Preissenkungsrunde der letzten Tage gestand er dann gestern doch zu, dass die Wirklichkeit anders aussah, als er erwartet hatte. Für den Kommentar fand er dann aber doch noch einen Dreh: „Wenn die Branche glaubt, den Kunden nur über den Preis zu bekommen, zeigt das nur, wie fantasielos sie ist“, sagte er.
Der Metro-Chef hat gut reden. Für seinen Konzern ist der Lebensmittelhandel nur ein Geschäftsbereich unter vielen. Europaweit rangiert die Metro AG unangefochten auf Rang 2 unter den Handelskonzernen. Und die niedrigeren Umsätze und Gewinne der Real-Warenhäuser, zu denen auch die früheren Allkauf- und Kriegbaum-Läden gehören, sowie der Extra-Verbauchermärkte, werden von den Ergebnissen im Cash-&-Carry-Bereich und bei den Elektronikfachmärkten MediaMarkt und Saturn mehr als ausgeglichen. Insgesamt steuert der Konzern mit einem erwarteten Umsatzwachstum von 5 bis 7 Prozent auf einem soliden Erfolgskurs – auch wenn Hauptkonkurrent Wal-Mart, das weltgrößte Handelsunternehmen, noch in einer anderen Liga spielt. Wal-Mart legte 1999 um mehr als 20 Prozent zu, viermal so viel wie Metro.
Bei vielen Lebensmittelhändlern sind das ganz anders aus. Kleiner und weit weniger diversifiziert als Körbers Konzern sind sie weit anfälliger für den ruinösen Wettbewerb, den auch dieses Mal wieder der US-Konzern Wal-Mart angeheizt hat. Vor gut zwei Wochen haben die Amerikaner, die in Deutschland noch gar nicht so richtig Fuß gefasst haben und bislang nur rund 5,3 Millionen Mark umsetzen (Rang 15), es gewagt, Aldi anzugreifen. Aldi. Den Discounter. Den bislang unangefochtenen Marktführer bei den Niedrigpreisen. Das war nicht nur für die Bild eine Sensation. Den Aldi-Geschäftsführern blieb nichts anderes übrig, als zu reagieren. Damit war die neue Spirale in Gang gesetzt.
Lidl & Schwarz und Tengelmanns Plus-Märkte machten mit. Marktführer Edeka zögert noch. Ebenso der Kölner Rewe-Konzern. Geschäftsführer Hans Reischl befürchtet einen „Vernichtungsfeldzug“ – wie schon im letzten Jahr, als das Unternehmen doch noch nachziehen musste und sich damit ein Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamtes einhandelte. Die Behörde vermutete verbotene Dumpingpreise, also Endpreise, die niedriger als der Einstandspreis – das ist der Einkaufspreis inklusive Rabatte und Vergünstigungen – liegen. Fündig wurde sie damals weder bei Rewe noch bei Metro. Jetzt wollen die Wettbewerbshüter Wal-Mart, Lidl, Aldi und die Supermarktketten Plus und Norma unter die Lupe nehmen.
Die gesteigerte Aktivität des Kartellamts ist nachvollziehbar. Inzwischen sind es nicht mehr nur kleine und mittelständische Lebensmittelhändler, die der Wettbewerb in den Ruin treibt. „Zunehmend können auch große Unternehmen nicht mehr mithalten“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittel-Einzelhandels, Marcus Girnau. Die deutsche Nummer 4, Tengelmann, zu der unter anderem Plus und Kaiser’s gehören, will 300 Filialen schließen und ebenso viele verkaufen. Die Spar-Gruppe, immerhin noch Nummer 7, fährt bereits dreistellige Millionenverluste. Auch bei den Nahrungsmittelproduzenten ist die Krise angekommen. Laut Markenverband belaufen sich die jüngsten Preisnachlassforderungen des Handels an die Lieferanten auf mehr als eine Milliarde Mark. Und wie lange sich der Verbraucher noch über die Rekordpreise freuen kann, kann er daran abzählen, wie viel Konkurrenz nach der so genannten Marktbereinigung durch die zwei, drei internationalen Großkonzerne noch übrig bleibt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen