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DIE FPÖ SETZT SICH IN ÖSTERREICH GEGEN DIE VOLKSPARTEI DURCHEuropa ade!

ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel ist ausgezogen, Jörg Haider und seine FPÖ zu domestizieren. Es scheint, als ob – ganz im Gegenteil – die FPÖ-Regierungsbeteiligung die österreichischen Konservativen „haiderisiert“.

Dienstagabend beschloss die schwarz-blaue Regierung eine Volksbefragung über die so genannten Sanktionen der 14 EU-Staaten. Das Referendum war eine Idee Jörg Haiders. Er hat sich damit durchgesetzt. Zuerst war die ÖVP strikt gegen eine Befragung. Dann, noch bis vor kurzem, wurde von Schüssel verkündet, das Referendum würde eine doppelte Botschaft enthalten: ja zur EU, nein zu den Sanktionen. Jetzt liegen sechs Fragen vor – die nur en bloc mit Ja oder Nein beantwortet werden können (!) –, in denen jegliches offene Bekenntnis zur Union fehlt. „Mit allen geeigneten Mitteln“ soll – so der Text – sichergestellt werden, dass die „ungerechtfertigten Sanktionen sofort aufgehoben werden.“

Eine unverhüllte Drohung: Man könnte, wenn alles nichts nützt, die Institutionen-Reform der EU blockieren. Nicht genug damit: Bevor überhaupt die Diskussion über die große Umgestaltung Europas in der österreichischen Öffentlichkeit ein Echo gefunden hat, sollen die Österreicher schon klar sagen, dass sie die „Vorherrschaft einiger weniger großer Staaten“ nicht wollen. Eine klare Breitseite gegen die französisch-deutsche Achse, gegen Joschka Fischer und Jacques Chirac, die wesentliche Reformen angestoßen haben. Und gleichzeitig ein Politikwechsel Österreichs. Bisher war die Position Wiens und vor allem der sich als Europa-Partei gerierenden ÖVP klar: Sollte sich im Zuge der EU-Erweiterung ein avancierter integrationswilliger und -fähiger „Kern“ herausbilden, dann sollte die Alpenrepublik mit von der Partie sein. Jetzt heißt es: Die österreichische Regierung wird – unterstützt vom Volk – eine derartige Entwicklung durch ein Veto verhindern.

Es steht viel auf dem Spiel: Die Drohung mit dem Referendum ist sicherlich nicht dazu angetan, die EU-14 milde zu stimmen. Im Gegenteil. Man lässt sich nicht leicht erpressen. In der österreichischen Bevölkerung werden zudem durch das Referendum die schlummernden antieuropäischen Gefühle mobilisiert. Und nicht zuletzt positioniert sich damit Österreich neu im Rahmen der Union. Bisher spielte das Land die Rolle der europäischen Nervensäge. Jetzt könnte Österreich mehr als lästig werden. Es könnte Vendée spielen in der sich gerade entwickelnden konstitutionellen Revolution Europas. Und versuchen, all jene mitteleuropäischen Kandidaten – die Ungarn, Slowenen, Slowaken – zu sammeln , die sich auch zunehmend gegen eine beschleunigte Integration und eine „Dominanz von Berlin und Paris“ wenden.

Damit würde sich Österreich für eine lange Zeit vom EU-Mainstream isolieren. Eine Katastrophe fürs Land. Und eine echte Gefahr für die Zukunft Europas. Alle Anstrengungen, Wien doch noch zur Räson zu bringen, sollten in Angriff genommen werden. Und zwar schnell. Bevor es zu spät ist.

GEORG HOFFMANN-OSTENHOF

Der Autor ist Leiter des Ressorts Ausland beim Wiener Nachrichtenmagazin „Profil“

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