Kommentar: Verlierer vor dem Pult
■ Warum streikende Lehrer ein Glaubwürdigkeitsproblem haben
Wenn ein Lehrer mit über 60 Jahren plötzlich 27 statt 24 Stunden unterrichten muss, hat er ein Recht, sich aufzuregen. Wenn aus diesem Grund auch noch ein junger Lehrer arbeitslos wird, hat der sogar das Recht, darüber richtig wütend zu sein. Wenn Politiker immer betonen, wie wichtig Bildung ist, aber so wenig danach handeln, ist das ein Grund zu streiken.
Aber: Warum geht es eigentlich, wenn verbeamtete Lehrer sich über ihr Streikverbot hinwegsetzen, fast immer nur um Arbeitszeit? Warum hat die GEW sich nicht so ins Zeug geworfen, als den Referendaren die Gehälter drastisch gekürzt wurden und es für viele von ihnen um die pure Sicherung des Lebensunterhaltes ging?
Warum kann nicht auch eine Gewerkschaft zugeben, dass es in dem eigenen Berufsstand zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich engagierte Menschen gibt? Warum pauschales Pfründesichern, wo man viel glaubwürdiger vertreten könnte, dass die, die jede Woche viele Stunden zusätzlich und ohne Lohn für Schüler und Schule da sind, entlastet werden müssen, die anderen aber nicht?
Weil viele LehrerInnen meinen, sie wären die Verlierer dieser Gesellschaft. Richtig ist, dass Reiche reicher und öffentliche Haushalte ärmer werden. Falsch ist, dass Lehrer davon die größten Opfer sind. Wenn ÖTV-Chef Wolfgang Rose es einen Skandal nennt, dass gesellschaftlicher Reichtum ungerecht verteilt ist, hat er Recht. Aber auf der falschen Veranstaltung. Denn viele der wahren Verlierer sehen LehrerInnen eigentlich jeden Tag. Vor sich.
Sandra Wilsdorf
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