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Der ostige Westen

In Rheinland-Pfalz greift die rechte Szene Ausländer an. Die Grünen beklagen mangelnde Zivilcourage der Bürger

FRANKFURT taz ■ Jahrelang galt: Rechtsradikale Straßengewalt findet in Ostdeutschland statt, im Westen dagegen dominieren anonyme Anschläge rechter Einzeltäter oder Kleinstgruppen. Das scheint sich zu ändern. In vielen Gemeinden in Rheinland-Pfalz trete die rechtsradikale Szene in letzter Zeit offener und aggressiver auf, behauptete die innenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Friedel Grützmacher, gestern in Mainz.

Auf mehr als einem Dutzend Weinfesten habe die rechte Szene in den vergangenen zwei Jahren rechtsradikale Parolen gebrüllt und Schlägereien mit Ausländern angezettelt, zuletzt Mitte Juni auf dem traditionellen Johannisfest in Mainz. Mehr als hundert Rechtsradikale hätten dort minutenlang „Sieg Heil“ skandiert und anschließend zugeschlagen.

In Annweiler sind in den letzten Wochen mehrfach mit Kampfhunden bewaffnete Rechtsradikale über den Marktplatz gezogen und haben unter den Augen der Bürger Hakenkreuze an Häuserwände geschmiert. Keiner von diesen hätte eingegriffen oder sich anschließend als Zeuge zur Verfügung gestellt, beklagte Grützmacher, zu groß sei inzwischen die Angst vor den rechten Schlägertrupps. Ähnliche Verhältnisse herrschten auch in Landau. Vor allem in der Süd- und in der Westpfalz führten rechtsradikale Organisationen so genannte Wehrsportübungen durch.

Die Grünen haben nun eine große Anfrage an die Landesregierung gestellt. Sie umfasst 200 Einzelfragen auch zu möglichen terroristischen Aktivitäten, die von Unbekannten in einem „Dossier Wehrwolf“ angedroht wurden. Auf diesem Weg erhofft sich die Partei eine Sensibilisierung für die Entwicklung und einen möglichst genauen Überblick über die Aktivitäten der regionalen rechten Szene.

Mit Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und Innenminister Walter Zuber (SPD) wollen die Grünen nun in einem „konstruktiven Diskurs“ über die Lage reden, gleichzeitig kritisierte Grützmacher den Ministerpräsidenten allerdings, der kürzlich öffentlich mit rechtsradikalen Skinheads diskutierte. „Damit hat der Ministerpräsident die braune Szene in der Pfalz nur aufgewertet“, glaubt Grützmacher. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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