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Der Fleischhammer schwieg

Das Ende der Spaßgeneration im HdK-Studiengang GWK: Die sechste Redeschlacht am Donnerstag hatte ein ernstes Thema und produzierte sachlich-nüchterne Redebeiträge

Im Geschichtsbuch der Hochschule der Künste (HdK) haben diese Schlachten schon lange ihren Eintrag gefunden. Das Prinzip ist einfach: Zwei strikt getrennte Parteien, ein hochehrwürdiges fünfköpfiges Präsidium, und ein hölzerner Fleischhammer als letzte Instanz, sprich als Ruhestifter. Schließlich: Keine Gewalt, handelt es sich bei diesen Auseinandersetzungen doch um einen Kampf der Rhetoriker. Wer sich redlich bemüht, gewinnt.

Fünf dieser heiß umkämpften Schlachten wurden seit 1991 an der HdK ausgefochten. Organisiert hat sie Holger Münzer, der innerhalb des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (kurz GWK) Rhetorik unterrichtet. Es sind meist seine Erst- bis Viertsemester, die in der Spracharena versuchen, die Kontrahenten zu überzeugen. In früheren Duellen war das eigentlich nur spaßorientiertes Mittel zum pädagogischen Zweck. Wer weiß schon die richtige Antwort auf die Frage, wofür Kaninchen Stoßzähne brauchen (so lautete das Thema der zweiten Redeschlacht).

Bei der nun sechsten Auflage des Wettstreits hatte der Spaß jedoch ein Ende: Es ging um die angelaufene Evaluation des GWK-Instituts. Alles müsse hinterfragt werden, forderte resolut der „Anwalt“ der Pro-Evaluations-Partei, Lars Oberg. Schließlich sei diese Untersuchung „die Chance“ für den Studiengang. Contra-Anwältin Ivette Najorka lehnte dies ebenso rigoros ab: Die Interdisziplinarität und Kreativität des Studiums seien nicht bewertbar. Die Studenten bestimmten letztlich selbst, was sie aus ihrem Studium machen. „Lassen wir uns nicht von anderen reinreden“, appellierte die Rednerin an die rund 70 Anwesenden.

Hintergrund der Diskussion ist, dass der frühere Renoméestudiengang viel von seinem Glanz eingebüßt hat. Die Evaluation soll nun eine Vergleichbarkeit mit ähnlichen Studiengängen herstellen. Kritiker befürchten allerdings, dass bei schlechten Noten das Fach an eine andere Hochschule verlegt wird. Insbesondere die Humboldt-Universität, so wird gemunkelt, habe Interesse.

Die sechste Redeschlacht entwickelte sich trotz – oder vielleicht gerade wegen – des brisanten Themas zu einer friedlichen Angelegenheit. Sachlich trugen die RednerInnen ihre Belange vor, monierten eineWirtschaftslastigkeit des Studiengangs, beklagten die fehlende Möglichkeit, Fremdsprachen zu lernen (die Rednerin bewertete dies als „beschränkt“) oder forderten die Zuhörer auf, „die Möglichkeiten des Studiums zu erkennen“ und nicht zu „selbstherrlichen Laptopbesitzern“ zu werden.

Bisweilen schrammten die Beiträge haarscharf an wirtschaftsliberaler Banalität vorbei, etwa wenn ausgibig aussagelose Leitsätze wie „Flexibilität, Kreativität, Teamgeist und Persönlichkeitsbildung“ gepredigt wurden. Oder wenn, in fast diepgenscher Manier, vom Standort Berlin „als der Zukunft Deutschlands, wenn nicht sogar Europas“ und von Evaluation als „gelebter Flexibilität“ fabuliert wurde.

Lediglich zwei Zwischenrufe in zwei Stunden sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache für die Lebhaftigkeit der Schlacht. Und sogar das Präsidium hielt sich zurück: Das Überschreiten der Redezeit von drei Minuten wurde nie geahndet, der Fleischhammer blieb still.

Bleiben schließlich die Ergebnisse des Duells: Mit Sekt wurden Alejandra Yuste, Natalie Zimmermann und Minka Laturnus belohnt. Dozent Holger Münzer zeigte sich „sehr zufrieden“ mit den Redebeiträgen, die ausformuliert als Meinungsbild dem Direktorium der GWK vorgelegt werden. Mit den Ergebnissen der Evaluation ist allerdings laut Münzer frühstens Ende des kommenden Wintersemesters zu rechnen. BERT SCHULZ

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