: Die Union will fremdgehen
Berliner CDU schließt Deal mit Finanzminister nicht aus: Eichel stärkt die Hauptstadtfinanzen, dafür könnte der Senat Ja zur Steuerreform sagen. Ohne Berlin hat die Reform im Bundesrat keine Chance
von RALPH BOLLMANN
Der Berliner Senat will eine mögliche Zustimmung zur Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung offenbar von finanziellen Gegenleistungen abhängig machen. Aus Kreisen der Koalitionsparteien CDU und SPD hieß es gestern übereinstimmend, auf der heutigen Senatssitzung sei keine endgültige Festlegung des Stimmverhaltens zu erwarten. Man will damit den Verhandlungsspielraum bis zur entscheidenden Sitzung des Bundesrats am Freitag ausschöpfen.
So ließen auch die Berliner CDU-Politiker, die sich gestern gegen die Reform aussprachen, ein Hintertürchen offen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sagte, Berlin werde dem Gesetz „vermutlich“ nicht zustimmen – wenn es nicht zu befriedigenden Nachbesserungen komme. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky teilte mit, Berlin lasse sich nicht „mit einem Linsengericht abspeisen“. Dass der Appetit bei einer gehaltvolleren Mahlzeit wachsen könnte, schloss Landowsky damit nicht aus.
Die Berliner CDU kritisiert, dass der in Berlin dominierende Mittelstand von der Reform weniger stark profitiere als die Großunternehmen in den westdeutschen Wirtschaftsmetropolen. Außerdem entstünden Steuerausfälle in Höhe von 1,2 Milliarden Mark, die für den finanzschwachen Stadtstaat nicht zu verkraften seien. Der Forderung der Bundespartei, die Steuern – und damit die Einnahmen der Länder – noch stärker zu senken, schließt sich die Berliner CDU dagegen nicht an.
Stimmt Berlin nicht zu, hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) keine Chance mehr, die Steuerreform ohne ein zweites Vermittlungsverfahren noch vor der Sommerpause über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Weil den SPD-geführten Ländern im Bundesrat neun Stimmen zur Mehrheit fehlen und der rheinland-pfälzische Koalitionspartner FDP auf gar keinen Fall für die Reform votieren will, muss Eichel alle drei gro- ßen Koalitionen in Brandenburg, Bremen und Berlin auf seinen Kurs bringen.
Am ehesten könnten sich die drei Länder, die allesamt zu den Armenhäusern der Republik zählen, mit milliardenschweren Zusagen für die anstehenden Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich locken lassen. Für Berlin wären auch Zugeständnisse bei der Hauptstadtfinanzierung denkbar.
Die Berliner SPD, die gegen Mehreinnahmen für die Landeskasse nichts einzuwenden hätte, hielt sich mit Kritik am Koalitionspartner gestern zurück. Parteichef Peter Strieder forderte die CDU gestern lediglich dazu auf, „die Interessen des Landes Berlin vor parteipolitische Interessen“ zu stellen.
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