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die stimme der kritikBetr.: Bischof Dyba, Ali Agca, Fatima und Soraya

Dampfplaudern im Namen des Herrn

Wer seinen Auftrag direkt von Gott empfängt, kann auf die Hilfe von professionellen Medienberatern frohgemut verzichten. Da plaudert es sich ganz ungeniert, wie den Herren Eminenzen der Schnabel gewachsen ist. Selbst sorgsam gehütete Glaubensgeheimnisse werden inzwischen ohne Not ausgeplaudert. Ist denn gar nichts mehr heilig?

Musste es zum Beispiel sein, dass der Vatikan vor ein paar Wochen die dritte, über Jahrzehnte streng geheim gehaltene Weissagung von Fatima in die Welt hinauskrähte? Ein Papst, hätte die spanische Marienerscheinung den Hirtenkindern zu Protokoll gegeben, werde dereinst auf dem Petersplatz von Meuchelhand hingestreckt. Du liebes bisschen: Yesterday’s news! Jetzt ist also Schluss mit allen Mutmaßungen über Weltuntergangs- oder -errettungsszenarien. Und was hätte sich um das Fatima-Mysterium noch für ein Wind machen lassen.

Völlig ungehemmt gibt sich auch der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba. Natürlich lässt sich das Raubein unter Deutschlands Klerikern nicht lange vom ebenfalls nicht gerade für seine Homofreundlichkeit berühmten Spiegel bitten, zum Thema Gleichstellungsgesetz für homosexuelle Partnerschaften den Advocatus diaboli zu spielen. Da braucht der Erzhirte gar nicht erst nachzudenken, die Assoziationen fließen auch so: Hetero-Ehe – Kindersegen – gesunde und glückliche Familien! Homo-Ehe – importierte Lustknaben – Degeneration! Freud, hilf analysieren! Oder lass es besser bleiben.

Ist es da beruhigend, dass auch Angehörige anderer Religionen aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen, so sie nur Gottes Stimme in sich zu vernehmen meinen? Ali Agca jedenfalls, Vollstrecker des Fatima-Orakels und mit der Vergebung seines Opfers Johannes Paul II. ausgestattet, hatte nach seiner Abschiebung in die Türkei nichts Eiligeres zu tun als öffentlich zu erklären, der Vatikan sei der „Feind Allahs“. Wie ärgerlich für die Maria von Fatima!

Und was sagt nun der Kolumnist zu alledem, so ganz spontan und ungefiltert? Ach, seuzt der, ich möchte den ganzen Tag das alte Chanson singen „Je veux pleurer comme Soraya“ – weinen will ich wie Soraya. Die wurde schließlich auch unter Berufung auf die Staatsräson in die Wüste geschickt, nur weil sie keine Kinder kriegen konnte. Eine neue Homo-Hymne? REINHARD KRAUSE

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