griechische pfändung: Offene Rechnung
Deutschland wird seine Vergangenheit einfach nicht los. Noch ist das Geld für die Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen nicht einmal komplett aufgetrieben, da droht von Griechenland aus die nächste Unbill. 55 Millionen Mark zuzüglich Zinsen soll Deutschland den Hinterbliebenen der Opfer des Massakers von Distomo 1944 zahlen, so haben griechische Gerichte geurteilt. Und zu allem Überfluss findet sich auch noch ein Anwalt, der mit seinem Vollstreckungsbeschluss in der Hand ins Goethe-Institut stürmt und alles pfänden will, was zu Geld zu machen ist.
Damit gelingt nicht mehr, was eigentlich deutsche Position zu den seit Jahren bekannten Forderungen aus Distomo war: ignorieren, zurückweisen, und dabei, wenn politisch opportun, brav Reue zeigen. Rechtsanwalt Stamoulis operiert zwar juristisch auf dünnem Eis, doch er ist energisch und geschickt genug, den politischen Druck auf sinnfällige und für die Bundesregierung überaus unangenehme Weise zu steigern.
Kommentarvon BERND PICKERT
Es ist kein Wunder, dass die Forderungen jetzt kumulieren. Deutschland hat in zwölf Jahren mehr Unheil angerichtet, als es in den vergangenen 55 Jahren hätte wieder gutmachen können – selbst wenn die jeweiligen Bundesregierungen sich dabei engagierter gezeigt hätten. Aber wer jahrelang hofft, dass sich das Problem von allein erledigt, und alle Forderungen mit dem Verweis auf die ausstehende Wiedervereinigung abweist, muss sich nicht wundern, wenn sie massiv hereinbrechen, wenn die Wiedervereinigung dann da ist.
Natürlich kann der Bundeshaushalt jetzt nicht genug Geld bereitstellen, um die Hunderttausenden angemessen zu entschädigen, die nicht nur in Griechenland noch offene Rechnungen mit Deutschland haben. Deshalb scheut man sich, etwa durch ein Einlenken im Falle Distomo Präzendenzfälle zu schaffen, die unabsehbare finanzielle Forderungen nach sich ziehen könnten. Die Opfer werden dabei zu lästigen Querulanten, rückwärts gewandt und irgendwie gar nicht modern. Ihnen wird überdies zum Vorwurf gemacht, dass sie erst jetzt mit ihren Wünschen daherkommen – das ist neues Unrecht und perfide dazu.
Der Bundesregierung fällt nichts ein, außer Zeit zu gewinnen, immer mehr Zeit. Bundeskanzler Schröder, so ist zu erwarten, wird jetzt versuchen, durch Gegengeschäfte im EU-Rahmen die griechische Regierung bei Laune zu halten. Es könnte ja sein, dass sich doch noch alles von selbst erledigt.
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