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Bitte erinnern Sie sich jetzt

Ralph Grunewald vom Jewish Committee verteidigte im Centrum Judaicum die Amerikanisierung des Holocaust

Es ist nicht allzu lange her, da sorgte das Buch „The Holocaust in American Life“ des jüdischen Historikers Peter Novick für Aufsehen. Seine zentrale These, der Holocaust sei der einzige gemeinsame Nenner der jüdischen Identität in Amerika, entfachte eine hitzige Debatte darüber, ob sich das jüdische Selbstverständnis fünfzig Jahre nach den nationalsozialistischen Verbrechen ausschließlich aus der Opferrolle speisen würde. In den Augen Novicks hat der Holocaust die Stelle des verlorenen Glaubens eingenommen und ist damit zu einer amerikanischen Zivilreligion geworden, zu der man sich stolz bekennt und mittels derer durchaus auch politische und materielle Ziele verfolgt werden.

Zu den Kritikern Novicks zählt auch Ralph Grunewald, Assistant Executive Director des American Jewish Committee. Der deutschstämmige Amerikaner, dessen Großeltern den Vernichtungslagern Flucht entkamen, hält die Behauptung, amerikanische Juden hätten die Massenvernichtung ikonisiert, für falsch und gefährlich.

In einer Veranstaltung des American Jewish Committee im Centrum Judaicum setzte Grunewald den Thesen Novicks jetzt seine Überzeugung entgegen: „Die wirkliche Botschaft des Judentums ist der Triumpf des Lebens.“ Umfragen zeigten, dass für amerikanische Juden die Erinnerung an den Holocaust einen zentralen Punkt ihrer Identität darstelle, ebenso wichtig seien jedoch auch alte jüdische Rituale und Traditionen. Doch ist damit die Tendenz, das Judentum auf die Leidenserfahrungen des Holocaust zu reduzieren, gebremst? Nein, räumt Grunewald ein, die Gefahr bestehe durchaus. „Doch Sie dürfen nicht vergessen – der Holocaust hat unsere ganze Kultur verändert. Er stellt damit nicht nur die Vergangenheit des jüdischen Volks dar, sondern bestimmt auch unsere Gegenwart und die Werte und Verhaltensweisen künftiger Generationen.“

Grunewalds Argumentation, das – zum Teil durchaus ritualisierte – Gedenken in Form von Museen und Denkmälern sei notwendig, um die Erinnerung am Leben zu halten und ein Wiederaufleben zu verhindern, ist sicher richtig. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Umgang mit dem Holocaust in den USA zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Thema führt. Hollywoodfilme, in denen die Welt in Schwarz oder Weiß eingeteilt ist, eine unüberschaubare Zahl beklemmender Gedenkstätten und auswendig gelernte Schulbuchlektionen können dagegen schnell zu nicht mehr hinterfragten Klischees führen.

Auch in Israel wird diese Tendenz kritisiert. Pläne, eine weitere Holocaust-Gedenkstätte in Manhattan zu errichten, lehnte der israelische Botschafter ab: „Das jüdische Volk braucht nicht noch mehr Mahnmale für die Toten. Wir haben ja schon ein Mahnmal – den Staat Israel.“ Wo Betroffenheit und Abscheu erwartet werden, werden sie instrumentalisiert. Der Weg zum Abbau von Intoleranz und Rassismus jedoch verläuft außerhalb politisch korrekter Pfade.

SUSANNE KATZORKE

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