: Nach dem Küsschen kam die Kugel
Süßwarenhersteller Ferrero spendete der hessischen CDU rund eine Million Mark und sparte auf diese Weise 13 Millionen Mark an Gewerbesteuervorauszahlungen ein. Doch in der CDU will heute niemand von der Spende gewusst haben
aus WiesbadenKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Guten Freunden gibt man ein Küsschen von Ferrero – oder gleich die Kugel (Rocher). Auch die runde Million Mark in gebrauchten Scheinen ohne fortlaufende Nummern, die sich der ehemalige Schatzmeister der hessischen CDU, Richard Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, in die tiefen Hosentaschen steckten durfte, kam vom Schokofabrikanten Ferrero. Es waren über Jahre hinweg gestückelt Bündel zu je 60.000 Mark.
Es handelte sich also um deklarationspflichtige Bargeldspenden, die aber in keinem Rechenschaftsbericht der Partei auftauchten. Warum aber spendete Ferrero der in den fraglichen Jahren 1991 bis 1994 doch oppositionellen CDU in Hessen so viel Geld? Rund 13 Millionen Mark soll das Unternehmen in genau diesem Zeitraum eingespart haben, weil der Bürgermeister von Stadtallendorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Manfred Vollmer (CDU), den Hebesatz für die Gewerbesteuervorauszahlungen für das Unternehmen aus Gefälligkeit niedriger ansetzte als vorgeschrieben. Das jedenfalls berichtete gestern die Frankfurter Rundschau.
Vollmer selbst und die neue Generalsekretärin der hessischen CDU, Otti Geschka, bestritten umgehend jeden Zusammenhang zwischen den Spenden von Ferrero an den Landesverband der Union und dem Steuernachlass für Ferrero in Stadtallendorf. Die Staatsanwaltschaft in Marburg hatte schon 1996 nach einem Hinweis des Rechnungsprüfungsamtes ein Ermittlungsverfahren gegen den christdemokratischen Bürgermeister von Stadtallendorf eingeleitet. Ihm wurde vorgeworfen, den Hebesatz für die Gewerbesteuervorauszahlungen zu niedrig angesetzt zu haben und bestechlich zu sein. Ein Jahr später wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße überraschend eingestellt. Von den Spenden von Ferrero an die CDU war damals aber noch nicht die Rede.
Und was sagt der Landesvorsitzende der Union und amtierende Ministerpräsident dazu? Roland Koch hält sich in der Karibik auf – und schweigt sich aus. Der Mann sei schließlich erst seit 1998 Vorsitzender der hessischen Union und seit 1999 Ministerpräsident, konstatierte gestern sein Regierungssprecher Dirk Metz. Deshalb habe Koch von dieser Million so wenig gewusst wie von den 20 Millionen Mark, die der Prinz und der ehemalige Generalsekretär und Landesvorsitzende der Partei, Manfred Kanther, in der Schweiz gebunkert hatten: „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“
Im Kreuzfeuer der oppositionellen Kritik steht der Leiter der Staatskanzlei, Franz Josef Jung (CDU). Der Staatsminister war von 1987 bis 1991 Generalsekretär der hessischen CDU und will von den Barspenden von Ferrero „nichts gewusst“ haben. Doch trotz aller Unschuldsbeteuerungen steht die hessische CDU mit dem Rücken an der Wand. Dass sich die CDU-geführte hessische Landesregierung weiter standhaft weigert, die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Akten auch dem Untersuchungsausschuss des Landtages zur Verfügung zu stellen, sorgt für böses Blut zwischen den Parteien. Immerhin sei die „aufgetauchte“ Million von Ferrero doch ein Beleg dafür, dass die hessische CDU im Landtagswahlkampf 1998/99 über noch mehr Schwarzgeld als bislang angenommen verfügte, echauffierte sich etwa Rupert von Plottnitz von den Grünen.
Auch die permanten Angriffe der Union auf das Verfassungsorgan Wahlprüfungsgericht und damit auf die höchst ehrenwerten Richter des Landes sind für die Kommentatoren konservativer Blätter nicht mehr nachzuvollziehen.
Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat übrigens gestern entschieden, dass sein Berichterstatter Hans-Joachim Jentsch (CDU) nicht befangen ist. Jentsch betreibt zusammen mit dem von seinem politischen Amt zurückgetretenen Manfred Kanther in Wiesbaden eine Anwaltskanzlei. Ein kleiner Sieg für die Union in Hessen.
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