piwik no script img

Leserbriefe mit Folgen

■ Das hoch verschuldete Vegesacker Kulturzentrum KITO muss sparen und hat sich für diesen Zweck einen neuen Geschäftsführer engagiert. Er heißt Stefan Linke und folgt auf den zuletzt unbequem gewordenen Claus Hößelbarth

Als Leserbriefschreiber hat Stefan Linke sich in Bremen-Nord einen Namen gemacht. Sein stetes öffentliches Eintreten für den Ernst-Fuchs-Bau „Symbolon“ auf dem Vegesacker Sedanplatz hat dem KITO-Vorsitzenden und Leserbriefleser Hermann Krauß derart imponiert, dass er Linke nun kurzerhand zum neuen KITO-Geschäftsführer gemacht hat. Seit dem 10. Juli im Amt, folgt der gestern der Presse präsentierte Linke damit Claus Hößelbarth, den Krauß für viele überraschend vor wenigen Wochen gefeuert hat. Hößelbarth hatte das KITO über zehn Jahre geführt und das Kulturzentrum in dieser Zeit zu einer der ersten Adressen für Fans von politischem Kabarett und zeitgenössischem Jazz gemacht.

Die Vita des von Krauß als „Seiteneinsteiger“ bezeichneten Linke lässt auch beim zweiten Blick nicht erkennen, welchen speziellen Talenten genau er es verdankt, dass ihm die Leitung dieses renommierten Kulturzentrums angeboten wurde. Der 1968 in Vegesack geborene und in Aumund lebende Linke wechselt nämlich aus einem Reformhaus in der Bremer Innenstadt ins KITO. Nach eigenem Bekunden hat der gelernte Reformhauskaufmann „seit frühester Kindheit am kulturellen Leben Anteil genommen“, für eine Schülerzeitung gearbeitet und als 13-Jähriger Kindergeschichten für den Kinderfunk von Radio Bremen geschrieben. Darüber hinaus ist Linke während seiner Zivildienstzeit als Kabarettist in der Laiengruppe „Seeigel“ aktiv gewesen.

Ob Linkes Einsatz im KITO von mehr Erfolg begleitet sein wird als sein Engagement fürs „Symbolon“, das bekanntlich nicht in Vegesack gebaut werden wird, ist offen. Denn dem „Seiteneinsteiger“ steht ein Job bevor, bei dem anderen Seiteneinsteigern durchaus der Arsch auf Grundeis gehen würde. Das KITO steckt tief in den Miesen und stand zu Beginn des Jahres nach Angaben des Vorsitzenden Krauß „kurz vor dem Konkurs“. Über 300.000 Mark Schulden belasten das Haus zurzeit, allein 100.000 Mark seien im Laufe des Jahres 1999 aufgelaufen. Das von Hößelbarth verantwortete, ambitionierte KITO-Angebot sei seit Jahren nicht kostendeckend gewesen. Deshalb habe man sich nun gezwungen gesehen, die Notbremse zu ziehen und Hößelbarth zu entlassen, zumal dieser sich nach Bekunden von Krauß außerstande sah, mit einem qualitativ deutlich abgespeckten Programm die Sanierung der KITO-Finanzen zu erreichen.

Schon Ende 1999 wollte Krauß sich daher von Hößelbarth trennen. Doch im sechsköpfigen Vorstand fand sich dafür keine Mehrheit. Erst der vor wenigen Monaten erfolgte Austritt von drei Vorstandsmitgliedern, die Krauß unter anderem „Politik nach Gutsherrenart“ vorwarfen, war der Weg für „Reform der Programmstruktur“ (Krauß) frei.

De facto entpuppt sich diese Reform als sehr weitgehender Abbau des bisherigen, zweifellos ausgezeichneten KITO-Programms. Die Konzertreihe „Rising Stars“ mit hoffnungsvollen Nachwuchsjazzern wird eingestellt, ein erheblicher Teil des restlichen Jazzprogramms gestrichen. Nicht einmal die Mutmaßung, dass die Hälfte der KITO-Konzerte wegfallen könnte, wollte Krauß dementieren. Stattdessen sollen die Wortveranstaltungen „KITOkolleg“ und KITO kontrovers“ ausgebaut werden. Kraußes Begründung dafür: „Die kosten kein Honorar – das ist der Witz.“ Geplant sind bislang Streitgespräche zwischen zwei Vertretern der evangelischen Kirche über Glaubensfragen sowie ein Disput zwischen dem PDS-Politiker Gregor Gysi und dem FDPler Guido Westerwelle zum Thema „Soziale Gerechtigkeit – was ist das?“. Damit, so hofft das Duo Linke/Krauß, können so viele BesucherInnen ins KITO gelockt werden, dass mit den erwarteten Einnahmeüberschüssen die enormen Schulden in einem Zeitraum von knapp zehn Jahren abgebaut werden können. Aus dem Kultur- und Wirtschaftsressort ist Krauß nämlich signalisiert worden, dass es beim Zuschuss von jährlich 400.000 bleibt. Eine Entschuldung durch die Stadt ist ausgeschlossen.

Krauß will zudem versuchen, die im Erdgeschoss gelegene, leer stehende Glaswerkstatt des KITO an die Stadt zu vermieten. Im KITO-Haushalt sind für diese Werkstatt regelmäßig 30.000 Mark Mieteinnahmen vorgesehen, die aber mangels Mietern seit Jahren nicht fließen. Eine Zusage oder auch nur die Absichtserklärung seitens der Stadt, in puncto Werkstatt aktiv werden zu wollen, konnte Krauß aber nicht vorweisen.

Weiterhin will Krauß zukünftig eng mit dem Vegesacker Kulturbahnhof kooperieren und hofft, dass im Zuge der Realisierung der Großprojekte „Internationale Universität Grohn“ und Einkaufszentrum „Haven Höövt“ zukünftig mehr BesucherInnen den Weg ins KITO finden. Insbesondere auf die Kooperation mit dem Haven-Höövt-Investor Frank Albrecht setzt Krauß große Hoffnungen. Das kursierende Gerücht, wonach Al-brecht dem KITO im letzten Jahr eine Sponsoring in Höhe von 100.000 Mark in Aussicht gestellt habe, die das KITO auch in den Haushalt eingeplant, aber nie von Albrecht erhalten hatte, dementierte Krauß. Es habe keine solche Zusage gegeben und das 1999er-Minus von 100.000 Mark sei nicht dadurch zu erklären, dass Sponsoren ausgeblieben seien.

Wohl nicht nur Claus Hößelbarth dürfte angesichts der Ideen zur Zukunft des KITO das Gefühl beschleichen, dass das mit einem durchdachten und tragfähigen Konzept noch eher wenig gemein hat. Aber Zumindest ist unstrittig, dass mit der Trennung von Hößelbarth die Vorstandsarbeit im KITO dem ehemaligen Syndikus der Handelskammer und FDP-Mitglied Krauß zukünftig leichter fallen wird. Denn der Grüne Hößelbarth hatte sich in der Vergangenheit den Unmut von Krauß zugezogen, weil er öffentlich stadtplanerische Entscheidungen wie etwa die Ansiedlung von Haven Höövt kritisiert hatte, die Krauß jetzt zum Rettungsanker des KITO erklärt hat.Politisch wird Hermann Krauß mit Symbolon-Fan und FDP-Mitglied Stefan Linke zukünftig sicherlich weniger Probleme haben.

Franco Zotta

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen