piwik no script img

Jung und nüchtern – die Angreifer

Nach dem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Ludwigshafen sind die vier mutmaßlichen Täter aufgeflogen und geständig. Die Grünen-Vorsitzende Renate Künast ist vor Ort und fordert verstärkte Polizeiaktionen gegen Rechtsextremisten

von LUKAS WALLRAFF

Der Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Ludwigshafen, bei dem am vergangenen Sonntag drei Kinder verletzt wurden, geht offenbar auf das Konto jugendlicher Skinheads. Die Polizei nahm in der Nacht zum Donnerstag vier Jugendliche im Alter von 14, 15, 16 und 18 Jahren fest. „Alle vier haben zugegeben, dass sie an der Tat beteiligt waren“, erklärte ein Sprecher der Ludwigshafener Polizei. Die geständigen Jugendlichen seien „der Skinhead-Szene zuzurechnen“ und zum Teil vorbestraft.

Die Jugendlichen wurden gestern Nachmittag dem zuständigen Ermittlungsrichter in Frankenthal vorgeführt, der darüber entscheiden muss, ob sie in Haft kommen. Drei der Festgenommen wohnen in Ludwigshafen, einer in Frankenthal. Wie der Sprecher weiter mitteilte, sind „mindestens zwei“ der Tatverdächtigen bei der Polizei „einschlägig bekannt“.

Zum Teil seien die Jugendlichen bereits in der Vergangenheit „wegen rechtsextrem motivierter Taten“ bestraft worden, in mindestens einem Fall habe es sich um Körperverletzung gehandelt. „Auf Grund des Alters können Sie sich vorstellen, dass diese Taten noch nicht allzu lang zurückliegen“, erklärte der Polizeisprecher. Die Jugendlichen waren zur Tatzeit offenbar nüchtern: „Bisher weist nichts darauf hin, dass sie betrunken waren.“

Direkt nach dem Brandanschlag am Sonntag hatte die Ludwigshafener Polizei eine Sonderkommission „Gleis“ eingesetzt. In unmittelbarer Nähe des Asylbewerberheimes befinden sich Bahngleise. Die Täter hatten den Brandsatz von der Rückseite der Unterkunft durch ein geschlossenes Fenster geworfen. In der Umgebung fanden die ermittelnden Beamten noch weitere Brandsätze. Nur durch großes Glück wurden die drei Mädchen aus dem Kosovo nicht lebensgefährlich verletzt, eines der Kinder muss jedoch immer noch im Krankenhaus behandelt werden.

Der Anschlag sorgte am vergangenen Wochenende für bundesweites Aufsehen. Der Landesverband der Grünen hatte erst vor kurzem auf die Zunahme rechter Gewalt in Rheinland-Pfalz hingewiesen. Gestern besuchte die Bundesvorsitzende der Grünen, Renate Künast, die Unterkunft der Asylbewerber in Ludwigshafen. Dabei wollte sie mit den Bewohnern sprechen und sich über den Stand der Ermittlungen informieren. Von der Festnahme der Tatverdächtigen erfuhr sie kurz nach ihrer Ankunft. „Es ist erfreulich, dass es durch handwerklich gute Arbeit der Polizei zu diesem Ermittlungserfolg gekommen ist“, betonte Künast gegenüber der taz.

Der von verschiedenen Seiten geäußerte Verdacht, die Polizei habe den Brandanschlag nicht ernst genommen und einen rechten Zusammenhang negiert, sei „falsch“ gewesen. Die zurückhaltende Öffentlichkeitsarbeit der Polizei sei vielmehr „ermittlungstaktisch richtig“ gewesen, um die Verdächtigen nicht vorzuwarnen.

Künast betonte jedoch, trotzdem müssten die polizeilichen Maßnahmen gegen rechte Gewalt verstärkt werden. In einem Brief an die Innenministerkonferenz der Länder habe sie um die Einberufung einer Sondersitzung gebeten. Künast fordert, „die personellen Ressourcen und sachlichen Mittel“ der Polizei zu konzentrieren, „damit tatzeitnahe Reaktionen erfolgen können“.

Um Asylbewerber vor Anschlägen zu schützen, hält Künast „kurzfristig auch Polizeischutz“ vor den Gebäuden für sinnvoll. Langfristig aber plädiert sie für eine Abschaffung von Asylbewerberheimen. „Wir brauchen eine andere Art der Unterbringung“, erklärte Künast und forderte, Asylbewerbern künftig normale Wohnungen zuzuteilen. Das Bundesinnenministerium lehnte eine Stellungnahme gestern ab, da für die Unterbringung von Asylbewerbern die Länder zuständig seien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen