: Milder Gegenwind im Herbst
Die IG Metall will mobil machen. Gegen den Rentenkurs der Regierung. Doch wie heftig die Proteste im Herbst werden, ist offen. Viele befürworten Veränderungen
BERLIN taz ■ Die Drohung war wirksam plaziert. Per Bild-Zeitung ließ IG-Metall-Chef Klaus Zwickel wissen, dass er in Sachen Rente nicht mit sich spaßen ließe. Sollte die Regierung weiterhin am Plan festhalten, den Arbeitnehmern die private Vorsorge alleine aufzubürden, „ist Ärger vorprogrammiert.“
Die Rentenversicherung, so Zwickel, müsse weiterhin von beiden Seiten, also von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, finanziert werden. Für den Fall, dass Sozialminister Riester (SPD) diese Warnung achtlos in den Wind schlägt, will die IG Metall mobilisieren. „Dann wird der Protest nicht nur im Saal stattfinden, dann demonstrieren wir im Herbst auf den Straßen und Plätzen dieser Republik für soziale Gerechtigkeit.“
Wenige Stunden nachdem die Schlagzeile an den Kiosken hing, suchte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, ein Rundfunkmikrophon. Auch Peters beschwor die paritätische Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern für die Altersvorsorge. Aber die Ankündigung schwerer Herbststürme mochte er so laut nicht wiederholen. Peters sprach vom „Dialog“, die Rentenfrage müsse gemeinsam mit Arbeitsminister Walter Riester gelöst werden.
Mehrere Gewerkschaften, darunter auch die ÖTV und die HBV, protestieren gegen die Riesterschen Rentenpläne. Doch die IG Metall hat sich vorgenommen, den Zug der Unzufriedenen anzuführen. Seit zwei Wochen werden die Betriebsräte aufgefordert, „betriebliche Informations- und Aktionstage durchzuführen“. Zentrale Argumentationshilfen für diese Veranstaltungen liefert die Frankfurter Zentrale. Die Absenkung des Rentenniveaus auf 64 Prozent reiche nicht aus, „um im Alter den Lebensstandard zu sichern“. Horst Schmitthenner, Linksaußen im Vorstand der IG Metall, sieht schwarz: „Mit dieser Reform fällt die gesetzliche Rente für viele auf Sozialhilfeniveau“. Die einschlägigen Flugblätter fänden reißenden Absatz, beteuert Sachbearbeiterin Petra Müller-Knöß. Ob sich in den Betrieben aber schon die ersten Widerstandsgruppen bilden, kann sie nicht sagen, „wegen der Ferien“.
So fest, wie Zwickel und Co suggerieren, sind die Reihen selbst in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale nicht geschlossen. Nicht alle machen mit im Kampf gegen die SPD. Wer gegen die Veränderung der Sozialsysteme mobilisiere, verhalte sich fahrlässig, äußerte sich ein Mitglied des IG-Metall-Vorstands.
Spätestens in zehn Jahren wird weniger als die Hälfte aller Erwerbstätigen noch 40 Jahre lang einen regelmäßigen Job mit Achtstundentag ausfüllen. Dann „bluten die Kassen aus, egal ob die Arbeitgeber paritätisch mit einzahlen oder nicht“. Mit dem Gerangel um die Reform „weichen die Gewerkschafter nur der Frage nach der Neugestaltung der Rentensysteme aus“, so das Vorstandsmitglied.
Walter Riester und Gerhard Schröder müssen daher möglicherweise gar nicht ernsthaft mit qualitativer Kritik an ihren Plänen rechnen. Zumal die IG Metall damit in eine merkwürdige Situation geriete: Wenn vor allem die altgedienten Gewerkschafter gegen die Rentenreform mobil machen, dann protestierten ausgerechnet jene, die von den Rentenkürzungen in der Praxis noch gar nicht massiv betroffen sind.
Wirklich knapp wird das Altersruhegeld nach der Riesterschen Reform erst für die Beschäftigten, die in 25 oder mehr Jahren aufs Altenteil wechseln. Doch für die heute 30-Jährigen ist die Rente noch weit: Ob sie sich massenhaft an Protesten beteiligen, ist daher mehr als fraglich. ANNETTE ROGALLA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen