: Bei Arbeitslosen wird gespart
Im kommenden Jahr muss Arbeitssenatorin Schöttler 50 Millionen Mark bei der Arbeitsförderung einsparen. Das könnte für viele Kinder- und Jugendprojekte im Ostteil der Stadt das Aus bedeuten
von RICHARD ROTHER
Der Landeshaushalt, den der Senat am Wochenende beschlossen hat, bedeutet für die Arbeitsförderung einen Kahlschlag, der zahlreiche soziale Projekte in ihrer Existenz gefährdet. Im kommenden Jahr stehen Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) rund 50 Millionen Mark weniger für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung, das entspricht einer Kürzung von mehr als 10 Prozent. Rechnet man die Mittel zur Berufsbildung heraus, wird der Haushalt der Arbeitsförderung sogar um fast ein Siebtel gekürzt. Damit muss Schöttler überdurchschnittlich sparen – obwohl die offizielle Arbeitslosenquote immer noch bei mehr als 15 Prozent liegt.
Die Kürzungen sollen vor allem bei den Programmen erbracht werden, die zu einem hohen Anteil vom Land kofinanziert werden. In erster Linie betrifft dies die Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM), bei der das Land etwa zwei Drittel der Kosten trägt. In den vergangenen Jahren war die Zahl der SAM-Stellen bereits kontinuierlich auf 2.000 reduziert worden. SAM-Stellen sind längerfristige Beschäftigungsverhältnisse (bis zu drei Jahre), die insbesondere im Ostteil das Rückgrat der bezirklichen Infrastruktur bilden. Viele Jugendklubs, Kinder- und Sozialeinrichtungen funktionieren nur mit SAM-Kräften. In der Vergangenheit war aus finanziellen Gründen versäumt worden, feste Stellen zu schaffen. Schließlich bekommt eine SAM-Kraft nur 80 Prozent des Tarifeinkommens. Ein Beipiel: Der Lichtenberger Verein „Kinderkunst ohne Führungskreuz e. V“, wird von zwei SAM-Kräften getragen. Ohne diese Stellen kann der Laden, in dem Kinder und Jugendliche malen lernen, dichtmachen.
Nicht auszuschließen sei, dass einzelne Projekte schließen müssten, räumte ein Sprecher der Finanzverwaltung gestern ein. Insgesamt solle die Anzahl der geförderten Arbeitslosen aber nicht sinken. Bisherige SAM-Stellen sollen vielmehr durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) ersetzt werden, die zu 90 Prozent von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) finanziert werden und auf ein Jahr befristet sind. Zustimmende Signale habe man aus Nürnberg vernommen. In der Vergangenheit war die BA über diese Verschiebetaktik wenig begeistert.
Indirekt nährt ein finanzielles Zugeständnis die Skepsis. Zur Kompensation der Kürzungen stellt der Senat 12 Millionen Mark zur Verfügung – „zur finanziellen Absicherung von sozialen, kulturellen und Inftrastrukturprojekten in den östlichen Bezirken“, heißt es in einer Erklärung des Senats. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte gestern die Grünen-Fraktionschefin Sybill Klotz. Zudem sei die finanzielle Zusage auf ein Jahr begrenzt worden. „Wir brauchen aber eine Kontinuität in der Arbeitsmarktpolitik.“ PDS-Fraktionschefin Carola Freundl beklagte gestern die „strukturelle Schwäche der Arbeitsverwaltung“.
Obwohl Finanzsenator Peter Kurth (CDU) seine Vorgaben gegenüber Schöttler nicht ganz durchsetzen konnte, findet mit dem Haushalt 2001 – fast unbemerkt – ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik statt. Der mittelfristig orientierte öffentliche Beschäftigungssektor wird zu Gunsten kurzfristiger Maßnahmen beschnitten. Kurths Sprecher: Regelrechte Förderkarrieren müssten der Vergangenheit angehören.
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