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Der Konsenskanzler

Gerhard Schröder verteidigt in seiner Halbzeitbilanz die Politik der Runden Tische und kündigt mehr Härte gegen „rechtsradikale Umtriebe“ an

aus Berlin TINA STADLMAYER

Zunächst wirkte er blass und urlaubsreif. Doch im Laufe seines Vortrages zur Halbzeitbilanz seiner Regierung wurde Bundeskanzler Schröder immer munterer und lobte sich und seine Werke. Gespielt bescheiden merkte er an, die wunderbare Bilanz der ersten zwei Jahre sei nicht nur sein Verdienst, sondern das der rot-grünen Koalition. Diese verstehe sich inzwischen als eine “die Regierung tragende Konstellation“ und nicht mehr wie zum Beginn der Legislaturperiode als „Vereinigung unterschiedlicher Sprecher“.

Über den Journalisten-Joke, ob er nun bald heilig gesprochen werde, lachte Schröder herzlich: „Dafür eigne ich mich nicht.“ Tatsächlich konnte er eine Regierungsbilanz vorweisen, die sich trotz Fehlern und Streitereien im ersten Jahr sehen lassen kann. Die Regierung habe „die größte Steuerreform, die je gemacht wurde“ durchgesetzt, freute er sich. Außerdem: „Die Reform der Streitkräfte“ und „die Entschädigung der Zwangsarbeiter“.Ohne Atem zu holen fuhr der Kanzler fort: Greencard, Atomausstieg, Investitionenen in Bildung und Forschung erhöht, Verhältnis zu Russland und Frankreich verbessert.

Nach dem Rückblick folgte die Vorausschau: Schröder forderte die Union auf, sich an den weiteren Rentenkonsensgesprächen zu beteiligen. Die Regierung sei bereits „sehr stark auf die Erwartungen“ der Union eingegangen. Jetzt gehe es nur noch um die Grundsatzfrage: “Schaffen wir es, die umlagefinanzierte Rente durch ein kapitalgedecktes System zu ergänzen?“ Wenn die Union dies auch wolle, müsse sie jetzt mitarbeiten. “Natürlich“ sei die Regierung bereit, “im Rahmen des vorgegebenen Finanzvolumens“ über die von der Union verlangte stärkere Förderung für Familien zu reden.

Schröder versprach, Arbeitsminister Riester werde im Herbst „einen vernünftigen Entwurf“ zur Rentenreform vorlegen. An die Gewerkschaften appellierte er: “Lasst und an einen Tisch setzen und sehen was ihr selber macht und was gesellschaftlich möglich ist.“ Damit bezog er sich auf jüngste Berichte, nach denen einzelnen Gewerkschaften ihren Mitarbeitern eine steuerfreie Privatvorsorge ermöglichen, die sie offiziell bekämpfen. Schröder ulkte, vor dem heißen Herbst, den die IG-Metall wegen der Rentenreform angekündigt habe, fürchte er sich nicht: „Es kann nicht schaden, wenn es ein bisschen wärmer wird, als in den letzten Monaten.“

Aber natürlich, riss er sich direkt wieder am Riemen, nehme er die Kritik der Gewerkschaften ernst, „weil uns viel mit denen verbindet“. Insgesamt sei es wichtig, „die gesellschaftlichen Gruppen“ in die Entscheidungen miteinzubeziehen, dadurch verschaffe sich die Politik “eine zusätzliche Legitimation“. Schröder nahm den Vorwurf einiger Leitartikler auf, er habe bei der Steuer- und bei der Rentenreform versucht, am Parlament vorbei, eine Konsensdemokratie zu installieren: Konsensrunden dienten dazu, das “Misstrauen gegen die Politik aufzulösen.“ Im Übrigen sei “Dialogfähigkeit die Voraussetzung für Politik“. Die Kritik daran sei, “obrigkeitsstaatlich“ orientiert.

Als weitere wichtige Reform stehe das „Gesetz zu den Lebenspartnerschaften“ auf dem Programm. Auch die Opposition habe inzwischen verstanden, „dass die Diskriminierung“ aufgehoben werden muss. Die Worte „Schwule“ oder „Homosexuelle“ brachte der Kanzler jedoch nicht über die Lippen. Ein anderes Thema scheint ihm wichtiger: “Die unterschiedlichen Ansätze bei der Nutzung der Gentechnologie“. Die Frage der „Patentierung bei der Entschlüsselung der Chromosomenketten“ müsse geregelt werden. Dabei müsse entschieden werden, „ob wissenschaftliche Entdeckungen oder nur deren Anwendungen zum Beispiel Medikamente“ patentiert werden könnten. Schröder stellte in Aussicht, dass es noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz geben wird. Er versprach, „unmittelbar“ nach dem Vorlegen der Ergebnisse der Süssmuth-Kommission“ voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres, werde sich die Regierung „an die Arbeit machen“. Bei „rechtradikalen Umtrieben“ müsse der Staat in zukunft „mehr Härte zeigen“. Dieses Thema werde der Schwerpunkt der nächsten Innenministerkonferenz sein.

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