Nahost-Gipfel gescheitert

Nach 15 Tagen reisen der Palästinenser-Präsident Arafat und Israels Regierungschef Barak ohne Ergebnis aus Camp David ab. Der Streit um den künftigen Status von Jerusalem konnte nicht geschlichtet werden. Islamistische Hamas droht mit Gewalt

BERLIN/JERUSALEM taz ■ Es ist aus und vorbei. Der israelisch-palästinensische Gipfel ist gescheitert. Gegen 17 Uhr hiesiger Zeit erschien gestern der Sprecher von Bill Clinton, P. J. Crowley, auf dem Rasen vor dem Pressezentrum in Camp David und erklärte, der US-Präsident sei zu dem Schluss gekommen, „dass beide Seiten zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage sind, eine Übereinkunft zu erzielen.“

Der 15 Tage zuvor mit großer Hoffnung unter der Schirmherrschaft und massivem Druck des US-Präsidenten begonnene Verhandlungsmarathon war damit beendet. Ob es dem US-Präsidenten nun noch gelingen wird, sich seinen Traum des Friedensstifters zu erfüllen, bevor er Ende des Jahres sein Amt aufgeben muss, steht damit wieder in den Sternen.

Nach 15 Tagen der absoluten Nachrichtensperre, hatten sich gestern Nachmittag die Gerüchte über ein bevorstehendes Scheitern des Treffens gemehrt. Barak lasse seine Koffer packen, Arafat sein Flugzeug startklar machen, hieß es. Zu dem Zeitpunkt war Clinton gerade nicht da. Er weilte aus privaten Gründen auf einer Beerdigung. Dass er von dort hastig wieder per Hubschrauber zum Verhandlungsort zurückeilte, konnte nichts mehr retten.

Arafat verlangt laut Informationen aus Verhandlungskreisen die Souveränität über die gesamte Altstadt Jerusalems, zumindest jedoch über die Heiligen Stätten der Muslime und Christen. Der Endpunkt der Gespräche sei erreicht gewesen, als Israel den Palästinensern nur Zugang zur al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg angeboten habe. Arafat sei wütend gewesen. Schließlich hätten die Israelis wissen müssen, dass der Palästinenserpräsident sich mit einer solchen Minilösung kaum nach Hause trauen konnte.

Die Palästinenser haben im Falle eines Scheiterns der Friedensgespräche wiederholt die Ausrufung eines eigenen Staates nach dem 13. September angekündigt. Dieser Staat Palästina werde dann auch Gebiete umfassen, die noch unter israelischer Verwaltung stünden, hatte der Präsident des Palästinensischen Nationalrats, Salim Sanun, bereits am Montag erklärt.

Am 13. September läuft die bisher gesetzte Frist für den Abschluss eines endgültigen Friedensvertrages aus. Israel hat für den Fall der einseitigen Ausrufung eines palästinensischen Staates im Gegenzug mit der Annexion weiterer palästinensischer Gebiete gedroht. Ein diesmal wahrscheinlich nicht mit Steinen, sondern mit Gewehren geführter neuer Palästinenseraufstand wäre spätestens dann unvermeidlich.

„Dieses Scheitern ist ein weiteres Zeichen dafür, dass unsere einzige Wahl der Widerstand ist“, reagierte der Leiter der radikalislamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Scheich Ahmad Jassin, auf die Nachricht aus den USA. „Nur mit Gewalt können wir unsere Rechte wahren. Wir sind bereit, uns zu opfern.“ Israel könne einen hohen Preis zahlen, drohte er.

Regierungschef Barak geriet vor und während der Verhandlungen immer stärker unter Druck rechtsgerichteter Kreise in Israel. Wegen indirekter Morddrohungen gegen ihn nahm die israelische Polizei Ermittlungen gegen Mitglieder der verbotenen religiös-nationalistischen Kach-Bewegung auf.THOMAS DREGER

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