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Gewerkschaft in Erregerphase

Zumindest die IG Metall scheint es ernst zu meinen mit ihrem Widerstand gegen die Rentenreform. Die Kollegen von der IG Chemie schweigen. Die ÖTV will keinen Krach

BERLIN taz ■ Dort, wo man die Basis vermutet, ist zumindest die Parole angekommen. „Ich weiß, dass wir Widerstand planen“, sagt Volker Hermstorf. Wann es genau losgeht, weiß der Mann von der IG Metall, Bezirk Küste, nicht. Nur so viel: „Es wäre doch Quatsch, in den Ferien was zu starten.“ Derzeit befinde sich die Gewerkschaft beim Thema Rente in der „Erregerphase“. Nicht die private Zusatzvorsorge als solche erhitzt die Gemüter, „das Erregerthema heißt Verlust der paritätischen Finanzierung“.

Die Gewerkschafter erbost, dass die private Zusatzvorsorge nicht freiwillig sein soll, dass der Arbeitsminister sie verordnet und dass die Arbeitnehmer sie auch noch allein finanzieren sollen. Mit einem Federstrich will Walter Riester die Arbeitgeber aus der solidarischen Finanzierung des Rentensystems entlassen. Die SPD, die bis zur Bundestagswahl 1998 noch versprochen hatte, als staatliche Arbeitnehmerschützerin das Kapital zu bändigen, entpuppt sich auf einmal als Wächterin des freien Marktes. Während Schröder die marode Holzmann AG mit beiden Armen auffängt, entzieht sein Arbeitsminister dem Solidarprinzip kaltblütig die Grundlage. Keine Spur mehr vom sozialdemokratischen Ausgleich der Interessen.

Auf diesen Rollenwechsel hat die Partei die Gewerkschaften nicht vorbereitet. Stattdessen zeigt die SPD: Für euch ist nichts mehr machbar. Mit welchem Projekt auch immer die Gewerkschaften sich am politischen Geschehen beteiligen wollen, die Abfuhr ist sicher. Die Rente mit 60 fegte Schröder ebenso vom Tisch wie den Widerstand gegen die Green Card. Das schmerzt.

Aber auch in der IG Metall sind die Zahlen bekannt: Im Jahr 2050 werden drei Erwerbslose von einem Erwerbstätigen durchgefüttert. Ungewiss, ob ein Auszubildender von heute in 50 Jahren überhaupt eine gesetzliche Rente wird verzehren können. „Die Hardliner in unseren Reihen setzen sich zu wenig mit den Fakten auseinander“, bemängelt ein Vorstandmitglied, das ungenannt bleiben möchte. In seinem Papier über „Neuigkeiten über Arbeit und Solidarität“ schreibt DGB-Experte Hans-Jürgen Arlt: „Arbeit und Solidarität werden neu organisiert. Konturen des Neuen zeichnen sich klarer ab, wenn man zunächst das Alte in seiner historischen Bedeutung begreift.“

Bislang mobilisiert nur die IG Metall. Die IG Chemie schweigt, Herbert Mai, Chef der ÖTV, kritisiert die Herbstvorhaben: „Zwischen Regierung und Gewerkschaften sollte es keinen Krach geben“. ANNETTE ROGALLA

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