: DGB macht gegen Riester mobil
Stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Ursula Engelen-Kefer will bei einem parteiübergreifenden „Konsens für Rentenkürzungen“ die Rolle der Opposition übernehmen. Auch das Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert die Rentenreform
aus Berlin TINA STADLMAYER
Die SPD hat den Menschen eine andere Politik versprochen, nicht nur andere Politiker!“, schimpfte Ursula Engelen-Kefer, gestern vor Journalisten in Berlin. Jetzt wolle die rot-grüne Koalition „das Leistungsniveau für die Rentner“ ebenso stark reduzieren wie die Kohl-Regierung, kritisierte die stellvertretende DGB-Vorsitzende: „Damit werden sich die Gewerkschaften nicht abfinden.“ Im September werde der Deutsche Gewerkschaftsbund überall im Land Informationsveranstaltungen zur Rente beginnen lassen. Gewerkschafter würden ihre Position auch auf den geplanten SPD-Regionalkonferenzen zum Thema Rente vertreten. Schließlich seien viele auch SPD-Mitglieder.
Ursula Engelen-Kefer befürchtet, dass es zu einen breiten parteiübergreifenden „Konsens für Rentenkürzungen“ kommen wird, deshalb sei den Gewerkschaften die Oppositionsrolle zugewachsen. Offenbar hat sie jede Hoffung aufgegeben, dass Arbeitsminister Riester in seinem Gesetzentwurf auf die Gewerkschaften zugeht: „Der Fixpunkt in Riesters Reform ist ein Beitragssatz von höchstens 22 Prozent im Jahr 2030.“ Daraus, so die Gewerkschaftsfrau, die auch Mitglied im SPD-Parteivorstand ist, „ergeben sich zwangsläufig die erheblichen Absenkungen des Rentenniveaus.“
Ulla Schmidt, Rentenexpertin der SPD-Bundestagsfraktion und DGB-Mitglied, ärgerte sich gestern sehr über den Generalangriff ihrer Parteifreundin. Zumal er direkt vor einem Gespräch der beiden Politikerinnen über Detailfragen der geplanten Reform stattfand. Engelen-Kefer könne nicht für „die Gewerkschaften“ sprechen, kritisierte Schmidt, denn dort gebe es unterschiedliche Ansichten zum Thema Rente. Schmidt bestätigte gestern jedoch auch Engelen-Kefers Vermutung, dass der Referentenentwurf aus dem Hause Riester in zwei grundsätzlichen Fragen nicht auf die Wünsche einzelner Gewerkschaften eingehen wird: Für Beiträge über 22 Prozent gebe es „keine parlamentarische Mehrheit“ – ebenso wenig für die von den Gewerkschaften geforderte obligatorische betriebliche Altersvorsorge. In einer wichtigen Einzelfrage, so Ulla Schmidt, habe sie aber gemeinsam mit Ursula Engelen-Kefer eine Lösung gefunden: Das Gesetz werde festschreiben, das Männer und Frauen bei der privaten Vorsorge gleich behandelt werden müssen. Frauen dürften wegen ihrer längeren Lebenserwartung keine höheren Beiträge oder niedrigere Privatrenten in Kauf nehmen müssen.
Engelen-Kefer wiederholte gestern ihre Forderung nach einer „flächendeckenden betrieblichen Altervorsorge“. Sie machte sich für eine Betriebsrente mit einem Beitragssatz von zwei Prozent stark, der zu gleichen Teilen von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern bezahlt wird. Die Gewerkschaftsvorsitzende gab jedoch zu, dass dies „für kleinere Betriebe und den außertariflichen Bereich“ keine Lösung sei. Neben einer möglichst flächendeckenden Betriebsrente forderte sie, die gesetzliche Rentenversicherung auf alle Erwerbstätigen auszuweiten, also auch auf Selbstständige und Beamte. Vom Vorschlag des IG-BAU-Vorsitzenden Klaus Wiesehügel, auch sehr hohe Einkommen und Vermögen in die gesetzliche Rentenversicherung miteinzubeziehen und trotzdem die Rente auf 4.500 Mark zu begrenzen, hält die stellvertretende DGB-Vorsitzende nicht viel. Das wäremit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie ging auch auf den Vorwurf von Ulla Schmidt ein, die Gewerkschaften redeten bei der Rente „mit zwei Zungen“. Im Spiegel hatte gestanden, dass der DGB seinen 1.800 Beschäftigten die Betriebsrente gekürzt habe. Stattdessen könnten neu eingestellte DGB-Beschäftigte einen Teil ihres Bruttogehalts steuerbegünstigt für die Alterssicherung zurücklegen – genau so, wie es Riester für alle vorsieht. Engelen-Kefer verteidigte das Modell: Es sei eine freiwillige Ergänzung der gesetzlichen Rente. Die Regierung wolle dagegen die Rentenleistung kürzen, „um private Vorsorge zu erzwingen“. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisierte gestern die geplante Rentenreform. Die Alterssicherung werde vor allem für Frauen und Geringverdiener nicht besser.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen