: Über den Strafraum zum Freiraum
Selma Özman will sich nicht in ihre Dinge reinreden lassen. Sie spielt in der türkischen Fußball-Nationalmannschaft und träumt von einem Angebot aus den USA. Berlin ist ihre Stadt, die Türkei war bislang ihr Urlaubsland. Nun hat sie die Welt entdeckt
Interview EDITH KRESTA
taz: Du bist so braun gebrannt. Warst du in der Türkei im Urlaub?
Selma Özman: Nein, ich war mit meiner Managerin auf Gran Canaria.
Welche Managerin?
Ich arbeite doch nicht mehr fest bei der Polizei, sondern in einer Art Angestelltenverhältnis wie eine Freiwillige. Ich will jetzt professionell Fußball spielen. Zur Zeit spiele ich noch bei Hertha 03, habe aber jetzt einen Vertrag beim 1. FC Siegen in Aussicht. Fußball und volle Arbeit zusammmen geht nicht.
Also, das heißt trainieren, trainieren . . .
Ja. Professionell Fußball spielen heißt für mich drei Mal am Tag trainieren. Wahrscheinlich bleibe ich gar nicht in Berlin. Ich gehe in die Türkei oder in die Staaten.
Was ist dein Traum?
Die Staaten sind der Traum jeder Fußballspielerin, dort ist das Geld, dort verdienst du wie die Männer und das Stadion ist voll, wenn Frauen spielen. Hier in Deutschland kommen vielleicht hundert Leute.
Hast du ein Angebot?
Die Türkei hat mir ein Superangebot gemacht. Ich spiele ja jetzt schon in der türkischen Fußball-Nationalmannschaft. Alle zwei Monate fliege ich für drei Tage rüber.
Würdest du auch im deutschen Nationalteam spielen?
Für die deutsche Nationalmannschaft würde ich nicht spielen. Nur für die Türkei.
Warum? Du bist doch hier aufgewachsen .
Ich bin der Meinung, da ich ja auch Türkin bin, dass ich lieber für mein eigenes Land spielen sollte.
Hast du einen deutschen Paß?
Nein, den habe ich nicht gewollt.
Aber du hättest ihn haben können?
Ja, den hätte ich jederzeit haben können. Zumal ich bei der Polizei war, aber wenn ich den genommen hätte, dann hätte ich die türkische Nationalmannschaft vergessen müssen, dann hätte ich nicht rüberfliegen können zu den Spielen.
Seit wann spielst du schon
Fußball?
Ich spiele seit sechzehn Jahren Fußball. Heute bin ich linke Stürmerin.
Ungewöhnlich für ein türkisches Mädchen, oder?
Ich bin als Jüngste vor allem mit meinen zwei Brüdern aufgewachsen. Vielleicht kommt es daher.
Sprichst du gut Türkisch?
Ja, aber Deutsch spreche ich besser.
Was gefällt dir an der Türkei ?
Die Urlaubsorte. Deswegen habe ich ja so gestaunt als ich jetzt auf Gran Canaria war. Mensch, warum warst du eigentlich immer nur in der Türkei, habe ich mich gefragt. Es gibt so viele schöne Sachen, die man sehen kann, und du machst immer in der Türkei Urlaub. Also ich habe echt überlegt. In der Türkei mache ich jetzt eine ganze Weile nicht mehr Urlaub. Dafür ist die Welt einfach zu schön und zu groß. Es gibt viele Möglichkeiten auf der Welt, die will ich auch noch sehen, bevor ich irgendwie Familie und so gründe.
Hast du da schon konkrete Pläne?
Nein, erst mal nicht. Das reicht ja auch noch mit dreißig. Meine Eltern wünschen sich natürlich, dass ich einen Türken heirate. Ein Muslim ist bei denen A und O.
Wirst du dich dem anpassen und einen Türken heiraten?
Von Türken habe ich die Nase voll.
Wie kommt es?
Ich habe nach zwei langen Beziehungen genug. Drei, vier Jahre waren schöne Jahre. Aber danach, wenn du merkst, wie ein Mensch sich ändern kann. Wenn er handgreiflich wird. Ich hatte Pech. Ich hatte Männer, die mich eingeengt haben, die total eifersüchtig waren. Selbst wenn es um meinen Beruf ging, Nachtschicht und so, das hat ihm überhaupt nicht gefallen.
Ich durfte keine engen Jeans tragen. Ich bin ein Mensch, der seinen Freiraum braucht. Ich will so leben, wie ich eigentlich leben will, und da lass ich mir selten reinreden.
Glaubst du, dass deutsche Männer anders sind?
Ein deutscher Mann hat mehr Verständnis. Er interessiert sich, wenn ich ausgehe. Er wünscht mir sogar einen schönen Abend. Was ich noch nie von einem türkischen Mann gehört habe. Das kenne ich gar nicht.
Wie waren deine Erfahrungen bei der Polizei?
Also, das war eine sehr gute Erfahrung. Dskriminierung oder so habe ich als Türkin überhaupt nicht gehabt.
Und als Frau?
Ja, da kannst du dir sehr viel anhören von Kollegen. Du hast ja fast nur männliche Kollgen. Das ist interessant, muss ich sagen. Manche halten sich zurück. Manch lassen gleich ein paar Sprüche ab. Aber sie kümmern sich auch um dich. Ich habe eigentlich schöne Erfahrungen gemacht.
Hast du mehr deutsche oder mehr türkische Freunde?
Ich habe mehr deutsche als türkische Freunde.Ob Frauen oder Männer. Mit türkischen Leuten habe ich meistens immer einen Fehlschlag gehabt. Ich weiß nicht, warum. Aber ich mag es zum Beispiel nicht, wenn man Familien anlügen muss, wenn man ausgehen will.
Ist das noch so verbreitet?
Ja, gerade in meinem Alter bei den Mädchen. Also bis 16 werden sie frei erzogen.Wenn sie dann zur Frau werden, fängt die Familie an im Dreieck zu hüpfen und kontrolliert.
Woher kennst du die deutschen Freunde?
Von der Schule, vom Lehrgang, vom Ausgehen.
Warum, glaubst du, bleiben Türken häufig unter sich?
Weil sie alle das gleiche Problem haben.
Welches?
Ein familäres. Es ist sehr selten, dass eine Familie so offen ist und größere Freiheiten gibt. Das wird nach außen nicht gezeigt, nach außen wird viel geredet, ich darf das machen und so. Aber in Wahrheit ist das anders. Die Frauen haben Angst. Sie sind dann unter sich, weil sie da besser klarkommen. Wenn sie zu einer Deutschen sagen, du, meine Eltern erlauben das nicht, haben sie das Gefühl, die würden sie nicht verstehen. Aber das ist echt Quatsch. Ich kann mit einer Deutschen genauso reden wie mit einer Türkin. Vielleicht sogar besser. Sie akzeptiert wenigstens meinen Drang nach Freiheit.
Als mein Bruder eine Zeit lang verstärkt mit Türken zusammen war, wollte er mich einschränken und hat sich als kleiner Tyrann aufgespielt.
Wollen deine Eltern in die Türkei zurück?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben ein Haus am Mittelmeer. Mein Vater, inzwischen Rentner, ist schon sehr oft drüben.
Würdest du wieder in der Türkei leben wollen?
Für immer nicht. Für Fußball ein, zwei Jahre schon, aber mit Immer-wieder-hierher-Kommen. Denn Berlin, Deutschland, brauche ich schon. Die Menschen hier brauche ich. Für immer könnte ich nicht in die Türkei.
Ist Berlin deine Stadt?
Ja, ganz sicher. Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen. Ich fühle mich ziemlich wohl in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen