: Bunkermord – eine Drohung an Kurden?
■ Heute beginnt der Mordprozess vor dem Landgericht gegen vier Angeklagte. Als Hintergrund der brutalen Tat vermutet die Staatsanwaltschaft eine Disziplinierungsmaßnahme der PKK
Am Ende entführten und erschlugen den kurdischen Märtyrer Serif Alpsozman und seine Freundin Ayse Dizim die „eigenen Leute“ von der PKK. Das ist die Sicht der Bremer Staatsanwaltschaft zu dem Mord an dem kurdischen Paar am U-Boot-Bunker Valentin, der im vergangenen August bundesweit Schlagzeilen machte.
Für die Ermittler war der Doppelmord eine Disziplinierungsmaßnahme der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gegen ein Liebespärchen, das sich von politischen Aktivitäten zurückgezogen hatte. Auf dieses Tatmotiv – durch die aufgeheizte Stimmung nach der Auslieferung von PKK-Chef Abdullah Öcalan an die Türkei forciert und durch die Ablehnung der Familie des jungen Mädchens gegenüber dem behinderten „Schwiegersohn“ ausgelöst – läuft die Mordanklage der Bremer Staatsanwaltschaft hinaus.
Unter verschärften Sicherungsauflagen beginnt heute vor dem Bremer Landgericht der Prozess gegen vier Angeklagte. Dabei wird drei Angeklagten im Alter von 34, 30 und 27 Jahren vorgeworfen, die 18-jährige Ayse und ihren 23 Jahre alten Freund Serif „gemeinschaftlich und grausam“ getötet zu haben. Ein 33-Jähriger soll die drei anderen Angeklagten „aus niederen Beweggründen zur Tötung der beiden jungen Leute bestimmt haben“.
Der jüngste der Angeklagten hatte die Tat bereits im letzten Herbst gestanden. Urteile werden jedoch erst im nächsten Jahr erwartet. Allein in diesem Jahr sind über 30 Verhandlungstage anberaumt.
Dass der Aufsehen erregende, brutale Mord an dem jungen Paar politische Zusammenhänge haben soll, lag für die Ermittler vergangenes Jahr nicht sofort auf der Hand. Der 23-jährige Serif Alpsozman war zwar als kurdischer Aktivist und „Märtyrer“ bekannt. Aber unter Bremer Kurden galt der ehemalige PKK-Kämpfer, dem eine türkische Granate das Bein zerfetzt hatte, als respektiert und angesehen. Auch die der PKK nahe stehenden Eltern des Mädchens sollen ihn so kennengelernt haben. Dennoch rückte das Motiv „Beziehungstat“ ins Blickfeld der Ermittler. Deren erster Verdacht war, dass die Familie Vorbehalte gegen einen behinderten Schwiegersohn gehabt habe.
Gegen den anfangs als tatverdächtig festgenommen Vater der Ermordeten wurden die Ermittlungen wenig später jedoch eingestellt. Die Annahme, die Familie sei gegen die Beziehung gewesen, wird im Verfahren dennoch eine Rolle spielen. Schon bevor die Tochter und der abgelehnte Schwiegersohn, statt sich zu trennen, zusammen zogen, soll die Familie der jungen Frau bei hiesigen PKK-Leuten darauf gedrungen haben, dass diese intervenieren und die Beziehung verhindern. Damit sei das Paar verstärkt ins Blickfeld der PKK geraten. Eine geplante Maßregelung des jungen Paares durch die straff organisierte Hierarchie der verbotenen Organisation gilt bei der Staatsanwaltschaft als realistisch. Zeugen sollen dies bestätigen. Wie und warum es dabei allerdings zu dem brutalen Mord kam, bei dem beide jungen Leute starben, wird für die Bestrafung der Täter wohl ausschlaggebend sein.
Der Nachweis, dass es sich bei dem Mord nicht um blutige Exzesse von politisch nicht organisierten Kriminellen handelt – Ayse Dizim war erst gewürgt, dann im Weserschlick erstickt worden, ihr Freund war mit dem Auto überrollt, dann auf den Schädel geschlagen und schließlich qualvoll gestorben – soll an Hand von bislang geheimen Überwachungsprotokollen geschehen. Diese könnten belegen, dass zur Tatzeit ein hochrangiger Brüsseler PKK-Mann, zuständig für disziplinarische Fragen, in Bremen war. Auch das Verschwinden eines bremischen Gebietsverantwortlichen der PKK kurz nach der Tat wird mit dem Mord in Verbindung gebracht. Logik: Die Bremer PKK habe ihre Mobilisierungskraft ausgerechnet zu Zeiten verloren, als Chef Öcalan die Todesstrafe drohte. Dagegen sollte eine „Disziplinierung“ helfen. ede
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