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Lasst Blumen sprechen

Taugt eine Bundesgartenschau zum Randalethema? Aber klar doch, meint der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und kündigt an, Potsdamer Besetzer bis 2001 zu räumen

von UWE RADA

„Tolerantes Brandenburg“ heißt eine von Jörg Schönbohms Lieblingsparolen. In Potsdam freilich, der Stadt Friedrichs des Großen, besteht der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister auf den Grenzen der Toleranz.

Das gilt vor allem für die Potsdamer Hausbesetzerszene. Die nämlich, so zitiert der Innenminister gerne „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“, sei nicht nur ein innenpolitisches Problem für die Stadt, sondern plane darüber hinaus Angriffe gegen die Bundesgartenschau, die im April 2001 in der brandenburgischen Landeshauptstadt beginnt. Zertrampelte Blumenbeete statt blühender Landschaften – für Ex-General Schönbohm fast schon eine militärische Herausforderung.

Seit dem Frühjahr nun schon tobt der Streit um die linksradikalen Blumenpflücker. Damals hatte der Brandenburger Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin erklärt, es müsse mit Anti-Buga-Aktionen aus der autonomen Szene gerechnet werden. Den harten Kern diese Szene bezifferte Wegesin auf 80 Mitglieder. Darüber hinaus ließen sich etwa 200 Gewaltbereite mobilisieren.

Am Anfang standen Graffiti auf Sanssouci

Anlass für Wegesins Warnung waren Anti-Buga-Graffiti, die Potsdamer Hausbesetzer nach der Räumung eines Hauses an den Einganges des Schlosses Sanssouci gesprüht haben. Für den Innenminister war die Gefechtslage damit klar. Bis zum Beginn der Bundesgartenschau, forderte Schönbohm kürzlich, müssten die besetzten Häuser in Potsdam geräumt werden. Dass diese Drohung durchaus ernst zu nehmen ist, zeigte Schönbohm schon während seiner Zeit als Innensenator in Berlin. Damals hatte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit mehrere Häuser und Wagenburgen räumen lassen. Als er schließlich 1998 nach Brandenburg ging, übergab er die Hauptstadt seinem Nachfolgher Eckart Werthebach quasi besenrein (siehe rechts).

Für Lutz Boede, aktiver Mitstreiter bei der Kampagne gegen Wehrpflicht und Geschäftsführer der Fraktion „Die andere“ in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, ist die Lage klar. „Schönbohm redet die Buga-Aktionen herbei, um sein politisches Kalkül durchzusetzen.“ An eine tatsächliche Mobilisierung der Linken gegen die Blumenschau glaubt Boede nicht. „Die Buga eignet sich einfach nicht als Feindbild, im Gegenteil. Sie ist sogar sehr sozialverträglich.“

Zuspruch bekommt Boede damit auch vom Buga-Chef Jochen Sandner höchstpersönlich, der solches Lob natürlich gerne hört. Die Diskussion um die Hausbesetzerszene, glaubt Sandner denn auch, sei „ein ganzes Stück selbst gemacht“. Mit fünf oder sechs besetzten Häusern könne die Bundesgartenschau durchaus leben. Das Fazit des Buga-Chefs, der auch schon die Gartenschauen in Cottbus und Gelsenkirchen leitete: „Die Lösung dieses Themas ist für die Buga nicht wichtig.“ Außerdem sei die Buga noch nie ein Feindbild von Extremisten gewesen.

Im Zweifel eher tolerant und ganz den Worten des alten Fritz folgend, demzufolge ein jeder nach seiner Façon selig werden solle, zeigte sich in der Vergangenheit auch die Potsdamer Stadtregierung. Obwohl die Brandenburgische Landeshauptstadt als eines der Zentren der ostdeutschen Hausbesetzerbewegung gilt, setzte die Stadtverwaltung vorwiegend auf Verhandlungen statt auf Konfrontationskurs; eine Haltung, die auch Potsdams SPD-Bürgermeister und ehemaliger Umweltminister Matthias Platzeck teilt. Für Lutz Boede steht deshalb fest: „Schönbohm will sich nicht nur als Saubermann präsentieren. Er will mit dem Thema Buga und Randale auch die SPD mitsamt ihrem Deeskalationskurs in die Enge treiben.“

Der Buga-Chef soll lieber Blumen züchten

Wie aufgeregt die Diskussion im ansonsten eher beschaulichen Potsdam geführt wird, demonstrierte erst vor kurzem der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Petke. In einer wütenden Stellungnahme warf er ausgerechnet Buga-Chef Sandner vor, die Gefahr für die Landeshauptstadt Potsdam nicht richtig einschätzen zu können. „Sandner soll lieber seine Blumen züchten und sich um Bewässerungs- und Finanzierungsprobleme kümmern“, sagte Petke. Von Polizeifragen habe er keine Ahnung. So ist das in der CDU. Den einen wirft man vor, auf Blumenbeeten herumzutrampeln, und selbst tritt man gegen die Grenzen des guten Geschmacks.

Als ob es in Brandenburg, neben Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt dem Land mit den meisten fremdenfeindlichen Straftaten, keine anderen Probleme gäbe, hat auch die Potsdamer CDU die Parole aus dem Innenministerium aufgegriffen. Nach der durch einen Brand ausgelösten Räumung der Kurfürstenstraße 5 und den anschließenden Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei erklärte der Potsdamer CDU-Kreisschef Wieland Niekisch, die Krawalle hätten ihn „wieder einmal an die Kristallnächte der 30er-Jahre erinnert“. Niekisch gilt als einer der Hardliner der Potsdamer CDU; Jörg Schönbohm protegierte ihn bereits zu seiner Zeit als Berliner Innensenator. Damals hievte Schönbohm Niekisch trotz eines Stellenstopps auf den Posten des Leiters der „Arbeitsgruppe Grundsatzfragen der Innenpolitik“ in seiner Verwaltung.

Zwar musste Niekisch nach einem Sturm der Entrüstung seine Äußerungen inzwischen zurücknehmen. Doch in der Sache wollen die Christdemokraten hart bleiben. Auch der SPD in Brandenburg, die vor der Koalition mit Schönbohms CDU das Land allein regiert hatte, steht demnächst nun eine Diskussion um Videoüberwachung oder den „finalen Rettungsschuss“ durch die Polizei ins Haus.

Hart bleiben die Law-and-Order-Vertreter aber auch, was ihre Einschätzung der Bundesgartenschau als anschlagrelevantes Thema betrifft. So hatte der Leiter des Buga-Ausschusses in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, Edgar Backhaus, schon vor geraumer Zeit einen Brief an Verfassungsschutz-Chef Wegesin geschrieben und darum gebeten, die Warnungen vor den Buga-Aktionen etwas zu konkretisieren. Eine Antwort hat er nicht erhalten. Und auch Innenminister Schönbohm, sonst um kein Wort verlegen, blieb bisher eine Antwort schuldig.

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